04 Mai 2006

Michel Friedman als Nachfolger von Paul Spiegel?

Der Vorschlag von Rafael Seligmann verblüffte. Will er damit Friedman ins Amt stützen? Zweifel habe ich daran ganz erheblich, aber vielleicht ist sein Vorpreschen auch damit erklärbar, dass er Friedman im Rahmen der Koksnuttenaffäre scharf angegriffen hatte. Der Vorschlag wäre demnach persönliche Wiedergutmachung, und auch ein Stück weit die Erkenntnis, dass sich Michel Friedman gewandelt hat.

Hat er das? Ich halte es für sehr gut möglich, auch dann, wenn ich dieses aktuelle Interview mit Friedman lese, wo ich immer noch vieles sehe, was ich an ihm - politisch - nicht mag. Ich mag keinen politisch scharfen Zionismus, ich mag keine Zusammenarbeit mit christlichen Messianics, ich mag nicht Friedmans hysterische Israelschleimerei, ich mag nicht seine Nähe zu den HC-Freaks, ich mag nicht sein Partygetue und diese Mischung aus Show und Moral.

Friedman ist toll, wenn es darum geht, politische Angelegenheiten zugespitzt und auf den Punkt zu formulieren. Er ist toll, wenn es darum geht, vorhandene Konflikte deutlich zu machen, wenn es darum geht, Probleme zu benennen, einer, der verhindern vermag, dass wichtige Themen untergehen. Er hechelt nicht der ersten Flöte hinterher und er ist ein kluger Kopf, der mit überraschenden Argumenten überzeugen kann. Er hat recht, wenn Israel liebt, aber ich bin mit vielen seiner Positionen nicht einverstanden, deshalb, weil diese weder Frieden noch Verständigung fördern.

Ich störe mich daran, wenn in deutschen Nachrichten Israel quasi als deutsches Bundesland behandelt wird, wenn dieses Menschen plagende und selber hochgradig geplagte Land immer wieder in die deutsche Öffentlichkeit gezerrt wird. Ein wenig mehr Aufmerksamkeit für unsere eigenen Probleme würde uns gut tun.

Das spricht gleichermaßen gegen Friedman in dieser Position wie für ihn. Er ist, immer noch, ein begnadeter Polarisierer. Aber mein Wunsch wäre eher ein Präsident, der dieses Talent nicht hat. Er verrennt sich allzu leicht. Nehmen wir einfach mal das hier:
"Nach einer Umfrage der Leipziger Universität haben 20 Prozent aller Deutschen gesagt, ein jüdischer Nachbar wäre ihnen unangenehm. Diese gleiche Zahl um 20 Prozent bekundet auch in anderen Umfragen antijüdische und rassistische Ressentiments, also Gefühle, und ich glaube, dass dies dem Judentum immer wieder, auch heute noch, bewusst wird."
Also 20% Judenhass in Deutschland? Wieviel Prozent hätten wohl etwas dagegen, einen Arzt als Nachbarn zu haben? Will man Themen wie den Antisemitismus ernsthaft besprechen, ist unsachliche Überzogenheit wenig hilfreich dafür. Friedman würde das Amt schwächen.

Im Übrigen freue ich mich, wenn man von Michel Friedman etwas lesen, hören oder sehen kann. Das schadet auf keinen Fall. Aber diese Position im ZdJ: Die kommt zu früh. Friedman ist jung, auch geistig jung. Es wird weder ihm noch uns schaden, wenn er hier noch ein paar Jahre abwartet.

Mein Wunschkandidat für das Amt ist Seligmann. Wladimir Kaminer und Charlotte Knobloch als Vize. Okay, das wäre ebenfalls etwas absurd. Ich wäre mir aber sicher, dass es prima funktionieren würde. Wie auch immer, der ZdJ wird schon jemand Vernünftiges finden.

2 Comments:

At 04 Mai, 2006 22:15, Anonymous Anonym said...

Volle Zustimmung, Friedmann ist in der Tat in der Diskussion noch zu sehr auf pubertären Klamauk aus als dass er als Präsident des ZdJ geeignet wäre. Ihm fehlt die Gelassenheit und Besonnenheit eines Paul Spiegels lieber zuerst nachzudenken und erst dann zu reden, auch wenn die Erektion im Kopf nach sofortiger verbaler Ejakulation verlangt.

MfG

Daniel

 
At 04 Mai, 2006 22:39, Blogger John Dean said...

Aber Daniel!

Vergleich ihn doch mal mit seinen Parteikollegen, Schönbohm, Dementia Leyen oder Ohl - da ist er doch eine glatte Wohltat im Vergleich.

Ich mag ihn - politisch - trotzdem nicht, und Du hast m.E. nicht Unrecht, wenn du sein Übereilen in Wort und Urteil beklagst.

Lass ihn noch ein wenig reifen. Mit der öffentlichen Reaktion auf ihn ist er genug gestraft. Und im Vergleich zu vielen seiner Parteifreunde: Nee, dann lieber die prügeln. Er hat einstweilen genug.

 

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