Erzählung: Streitende Kinder auf dem Pausenhof
Ich erinner mich noch gut, wie ich als Kind die Grundschule wechseln musste. Das Eingangstor der neuen Schule erschien mir riesengroß, die übrigen Kinder fremd, so, wie ich ihnen. Nun war es so, dass die neue Schule einen sehr speziellen und weiten Schulhof hatte, gemeinsam mit einer anderen Schule gegenüber.
Es bildeten sich demnach in den Pausen Horden, die Kinderhorden der Schule A gegen die Kinderhorden der Schule B. Wie ich hörte, waren die beiden Pausenhöfe vor Kurzem noch durch einen Zaun getrennt, aber nun hat man sich für einen gemeinsamen Pausenhof entschieden.
Die Pausen waren demnach sehr interessant, nein, hochspannend, denn mindestens einmal pro Tag spielten wir Kinder "Krieg" und im Kriegsfall wogten unsere Horden hin und her, nicht selten unter indianerähnlichen Geheule. Regelrechte Schlachtreihen wurden aufgestellt, dann kam Bewegung hinein und so scheuchten wir Kinder uns mal mehr auf die eine Seite, mal mehr auf die andere Seite. Kleinere Scharmützel rundeten den Pausenspaß ab, bei denen sich die jeweiligen Kontrahenten schnell unter Anfeuerungsrufen umringt fanden. Zum Pausenende hin kamen dann jeweils die Erzieher und zerrten die ineinander verhakelten Kinder auseinander und in den Unterricht.
In kürzester Zeit entwickelten wir Kinder uns zu Schulpatrioten, allerdings ohne die leiseste Idee, was wir eigentlich gegen die Kinder der anderen Schule hatten. Unsere Erzieher versuchten, uns den täglichen Krieg zu verleiden, aber sie hatten ja gar keine Idee davon, was für einen Riesenspaß das für uns Kinder war.
Diese Pausenhofvorgänge erleichterten meine Integration in die Klassengemeinschaft ganz ungemein. Der Teamgedanke ergiff uns, solange jedenfalls, bis die Erzieher auf die Idee kamen, in den Pausen frühzeitig eine Anzahl Bälle auf dem großen, riesigen Schulhof zu verteilen. An den ersten Tagen dieser Neuerung waren wir Kinder noch hin und her gerissen. Krieg oder Fußball? Der Fußball siegte, und in meinem Fall endete das mit einer Mitgliedschaft in einem Fußballverein.
So wunderschön das auch war, in den Pausen auf einem riesigen Pausenhof Fußball zu spielen, wir Kinder waren nach dieser balltechnischen Neuerung unserer Erzieher alle von leiser Wehmut durchdrungen. Uns fehlte die Aufregung, und vermutlich auch die preiswert erlangte Gewissheit, stets auf der richtigen Seite zu stehen, das patriotische Gefühl. Tore schießen war aber auch nicht übel.
Mit Internet und Blogs kommen die Pausenhöfe zurück. Das patriotische Gefühl will sich aber bei mir nicht so recht einstellen. Auch weiß ich nicht so genau, ob ich hier nun ein Erzieher bin, ein patriotisches Kind oder, und das wäre das Schlimmste, ein patriotischer Erzieher.
3 Comments:
Ich bin weder Kind noch Erzähler - ich hab in diesem ganzen Wahnsinn einfach nur meinen Spaß. :D
Chris
Pausenhöfe, Kanzelreden ... whatever, die einen spielen mal Kind, die anderen Prediger ;)
gruß Oli
Krieg ist doof, Dichtkunst besser.
Siehe auch Diskussion um McCain: "Make Poetry, Not War"
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