29 Januar 2010

Anmerkungen zu Obama - State of the union

Vorab weise ich auf zwei Reden von Barack Obama hin, die gerade im Vergleich aufschlussreich sind.

1. Seine aktuelle "state of the union"-Rede (hier - youtube)
2. Seine Kritik der letzten "state of the union"-Rede von Präsident Bush (hier - youtube)

Ich sehe hier einen Präsidenten Obama, der demütig gegenüber seinem Amt ist und die Lage in den Vereinigten Staaten nicht zu beschönigen versucht. Er tritt nicht wie ein Ideologe auf, nicht wie ein Prediger, nicht wie ein chauvinistischer Militarist, sondern wie ein Mann, der redlich zu sein versucht in dem, was er sagt.

I
n den ersten neun Monaten seiner Amtszeit als neuer amerikanischer Präsident fand ich, dass Obama geschwächelt hat, fast so, als ob er sich von den vorherigen Wahlkampfstrapazen gründlich erholen musste. Ja, er wirkte sogar ein gutes Stück weit ausgebrannt - auf mich. Doch seit einigen Monaten ist er wieder da, ist er wieder kämpferischer und lebendiger.

Es ist doch irgendwie eigentümlich. Diejenigen, die sich zur Zeit von Präsident Bush in der Publizistik oder als Blogger als dezidiert "proamerikanisch" dargestellt haben, sind von Barack Obama jetzt schon viel stärker enttäuscht, als sie es von Bush Junior am Ende seiner Amtszeit waren. Sie werfen Obama vor, eine Art Trickbetrüger zu sein, der als "Messias" aufgetreten sei.

Ich tue mich schwer, diese Sichtweise zu verstehen. Sicherlich ist ein amerikanischer Präsident kein Heilsbringer, noch ist er ein Dämon (was eine verbreitete Sichtweise des linken politischen Lagers war). Er ist einfach nur ein Teil (!) des amerikanischen Systems, und die Machtfülle seines Amtes ist zwar verglichen mit deutschen Maßstäben sehr groß, aber gleichzeitig ist er als amerikanischer Präsident in seiner Macht begrenzt, nicht nur aufgrund des Beharrungsvermögens politischer Verwaltungsstrukturen und politischer Apparate, sondern auch durch die Blockademöglichkeiten von Senat, Repräsentatenhaus und auch durch ein amerikanisches Verfassungsgericht, in dem fünf scharf konservative und hochpolitisierte Richter ihre Mehrheit nutzen.

In militärischen und außenpolitischen Entscheidungen ist er gegenüber dem restlichen amerikanischen politischen System privilegiert, nicht zuletzt als Oberbefehlshaber - was vielleicht auch einen generellen Erklärungsbeitrag dafür liefert, warum amerikanische Präsidenten ein so großes Interesse an Militärpolitik und militärischer Außenpolitik haben.

Er ernennt Minister, und steht mit den von ihm ernannten Direktoren und Beamten weitgehend oberhalb der mächtigen Geheimdienste, sowie anderer Bundesbehörden. Er kann Gesetzesinitiativen eines feindlichen Kongresses mit seinem Veto blockieren, jedenfalls solange, bis sich dort keine 2/3-Mehrheit gegen sein Veto findet. Er kann begnadigen und darf in Zusammenarbeit mit dem Senat Bundesrichter ernennen. Was für eine Machtfülle!

Aber schon bei der Durchführung einer Gesundheitsreform ist ein amerikanischer Präsident, verglichen zum Beispiel mit der deutschen Kanzlerin, ein wirklich armer Hund, dem es nicht einmal nützen würde, wenn er im Repräsentantenhaus eine 2/3-Mehrheit hätte, sofern die ihm nahestehenden Senatoren im US-Senat weniger als 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können.

Die nächsten Amtsjahre von Obama werden schwer für ihn, gerade bei den für ihn wichtigen innenpolitischen Themen, da er zur Durchführung seiner Politik auf Mehrheiten angewiesen ist, die er seit dem Wahldebakel seiner Partei in Massachusetts nicht mehr hat.

Vielleicht wird man ihn am Ende seiner Amtsperiode ähnlich verspotten wie Jimmy Carter. Er selbst deutet in diesen Tagen an, dass er nicht mit einer zweiten Amtszeit rechnet. Aber immerhin wird er dann in seiner Amtszeit kein Präsident gewesen sein, der viele Hunderttausend von Menschenleben auf seinem Gewissen hat, und auch keiner, der zur Melodie der Beach Boys "bomb, bomb, Iran!" singt. Das ist viel wert.

Zu vermuten ist, leider, dass der nächste Präsident nach Obama wieder ein irrer Militarist sein wird, und einer, der in Steuersenkungen für Spitzenverdiener eine Art Gottesbefehl erkennt. Man bedenke: Schon heute betrachten knapp über 50 Prozent der amerikanischen Bürger den rechtsextremistischen US-Sender "Fox News" als besonders ausgewogen (!) an und als Beispiel einer fairen (!) Berichterstattung.

Mit anderen Worten: Der gesellschaftliche Durchmarsch der US-Rechten geht weiter und man kann sogar befürchten, dass sich diese Richtung weiter radikalisieren wird. Im Jahr 2013 werden wir womöglich darauf hoffen, dass dann eine durchgeknallte Egomanin wie Sarah Palin das Rennen machen wird - und nicht etwa Ärgeres.

The state of the union remains bad.

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26 Januar 2010

Ein besonderes Lob für Alan Posener

Ich sah mich gezwungen, Herrn Posener ausdrücklich zu loben, für einen vielleicht nicht sehr hellsichtigen, aber doch sehr beachtlichen politischen Kommentar. Mein Lob lautet wie folgt:
Die Linkspartei ist also ein Partei, welche unverhohlen “für Unternehmer, Rechtsanwälte, Steuerberater und dergleichen Interessenpolitik betreibt.”?

Wie gut, dass man das von Herrn Alan Posener erfahren konnte.

Man sieht: Posener argumentiert sachlich, überzeugend, ausgewogen – und kein Stück weit wie ein gereizter Neo”liberaler”, dem die Argumente ausgegangen sind, wenn er für die Klientelistenpartei FDP die argumentative Partei ergreift.

Bravo, Herr Posener!

Sie sind in meiner Achtung deutlich gestiegen.

Man kann Sie für Ihren hellsichtigen und zweifellos in allen Details – wie auch in seiner generellen Richtung – richtigen Beitrag kaum genug loben. Vor der argumentativen Schärfe Ihre Gedankenfolgen, Herr Posener, verbleichen die größten Geistesgrößen der europäischen Geschichte.

Es ist nicht rechtsbürgerlicher Mundgeruch, in dem ihre Worte getaucht sind, sondern es ist das unverdunklete Licht der Wahrheit und Aufklärung.

Wer wollte das bezweifeln?

Wer hier einen gewissen Spott und Häme über eine übergeschnappte Argumentation eines steifsinnigen FDP-Freundes heraus liest, der hat einen funktionierenden Ironiedetektor.

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