11 September 2009

Fazit zum "Internet-Manifest"

Ich sehe schon, wie in spätestens einer Woche, falls dann überhaupt noch jemand über das sogenannte Internet-Manifest schreibt, dann vielfach begonnen wird mit dem einleitenden Satz:
Die Selbstvermarkter aus Berlin bzw. deren Freunde, (…)

Tja. Es hätte ja auch was werden können – vorausgesetzt, die 15 Autoren wären am Ball geblieben und hätten Lust daran gehabt, auf die vielfältigen Reaktionen einzugehen. Sie hätten ihr marktschreierisches "Manifest" (welches vor dem Hintergrund fehlender Forderungen keines ist) deutlich verbessern und zu einem Manifest umgestalten können. Sie hätten zeigen können, dass sie die Netzcommunity und ihre Anregungen Ernst nehmen. Sie hätten zeigen können, wie das im Internet-Zeitalter funktioniert: Interaktion, Kommunikation und kolloborativer Dialog - zusammen mit einem funktionierendem Wiki, Arbeitsgruppen bei facebook und studivz, usw. usf.

Sie hätten sich selbst und ihr eigenes "Manifest" ernst nehmen können. Sie hätten den Unterstützern von Hamburger und Heidelberger Erklärungen wirklich etwas erklären können. Es wäre möglich gewesen zu zeigen, wie man mit Hilfe des Internets aus einem mittelmäßigen und unvollständigen Text etwas wirklich Gutes machen kann und wie man aus Kritik lernt, sie hätten als Autoren zudem zeigen können, dass Online-Journalismus tatsächlich "anders" funktioniert, ja womöglich sogar besser.

Tatsächlich aber haben die 15 Autoren eine ganze Menge Credit in der Netzcommunity verspielt, allen voran Mercedes Bunz, die gleich den allerersten Text für ihren neuen Arbeitgeber (Guardian) für eine beschämende Selbstvermarktung (via) nutzte.

Diese Seilschaft ist sich nicht zu schade, möglichst viele Übersetzungen in andere Sprachen zu organisieren – nur: Interesse am zuvor im "Manifest" gepriesenen Dialog (angeblich eine Errungenschaft des Internetzeitalters und eine große Chance für Online-Journalismus):

Hat man nicht.

Es war ihnen sogar zu lästig gewesen, auch nur nach der dringend benötigten Hilfe zur Moderation ihres Wikis zu fragen, das Vandalismus ausgesetzt war. Sie wollten die Community nicht einbinden. Und genau eben dieses Nicht-Haben, dieses Nicht-Wollen, dieses Nicht-Können: Das macht ein mittelmäßiges Manifest zu einer am Ende schlechten Sache, auch deshalb, weil sie sich problemlos auch als Blogger-Blamage darstellen lässt. Dieses "Manifest" war leider kein Kontrapunkt zur aktuell laufenden Verlagspropaganda (Beispiel), bei der das Internet vor allem als Dieb, als Müllplatz, als ökonomischer Konkurrent und überhaupt als zu bändigende Gefahr dargestellt wird.

Ich bezweifele beim Initiator Thomas Knüwer nicht eine Sekunde lang die guten Absichten, aber leider haben die beteiligten Autoren das eigene “Manifest” eher widerlegt als bestätigt – jedenfalls an durchaus bedeutenden Stellen. Man hätte bei der Liste der Beteiligten eigentlich auf etwas Besseres hoffen können, auf mehr Herzblut (so zum Beispiel), auf mehr Intelligenz, auf mehr Reflektion (so zum Beispiel), auf bessere Formulierungen, überhaupt auf mehr Geist, mehr Dialog und Kommunikation – und weniger Seilschaftsbetrieb. Ich halte, nach wie vor, viele der Beteiligten für sehr schätzenswert. Man kann allemal auch Verständnis dafür haben, dass es schwer war, mit der Flut an Reaktionen klar zu kommen. Nur leider ist es so:

Sie haben es versaut.

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2 Comments:

At 11 September, 2009 22:55, Anonymous Anonym said...

hier gibts das originale manifest. die meisten sind ja leider der parodie aufgesessen!

http://www.stupidedia.org/stupi/Das_original_Internet-Manifest

 
At 12 September, 2009 13:06, Blogger John Dean said...

Stimmt, die Stupidia-Version hat einigen Charme. Ich muss aber sagen, dass ich mit meinem Posting doch etwas daneben lag: Bei Stefan Niggemeier gibt es einen langen und auf viele Einwände antwortenden Text, den ich - auch weil er in einem Rutsch runtergeschrieben wurde und weil er nicht glatt ist - gut finde. Vor allem zeigt Stefan Niggemeier, dass ihm es mit dem Dialog doch ernst ist.

Vielleicht passiert da noch etwas - seitens der anderen 15 Autoren. Markus Beckedahl dürfte zu sei in anderen Themen eingespannt sein, nunja, und die meisten der Manifest-Unterzeichner schätze ich als nicht sonderlich "fest" ein, das heißt:

Die wollten einfach mal etwas mit großen TamTam aufschreiben. Und das war es dann. Okay, bei Stefan Niggemeier lag ich daneben, und bei einigen anderen werde ich auch daneben liegen, einfach, weil die sich für die Thematik interessieren, auch in den kommenden Monaten und Jahren.

Naja. Mal abwarten, bei mir überwiegt die Skepsis.

Ausgesprochen großartig ist allerdings ein englischer Beitrag, in Benjis Blog, wo das Manifest sehr drollig und geistesschaft zusammen gefasst wurde.

 

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