Zu den interessantesten neuen Milliardären in unserem Land gehört
Lutz von Stryk.
Was zeichnet ihn aus?
Unbedingte Leistungsbereitschaft? Ganz normal eher. Er versteht es auch zu leben.
Herkunft aus normalem Hause? Nein. Keine normalbürgerliche Herkunft.
Unverdienter Reichtum auf Kosten des Steuerzahlers? Ja. Und wie!
Seine "höhrere" Herkunft, durchaus gediegener Art, half ihm sicherlich, dass er in der HSH Nordbank das Immobiliengeschäft verwalten durfte. Irgendwann geriet die HSH Nordbank schwer ins Straucheln, nicht zuletzt auch bedingt durch den Größenwahn und die verhobene Risikobereitschaft ihrer Leitung. Eigentlich stand das Institut, als Besitz der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg, unter staatlicher Kontrolle. Die Manager verstanden es jedoch auf das Beste, ihre eigentlichen Besitzer und Kontrolleure auszutricksen und sich der Kontrolle zu entziehen. Nun, die Schwierigkeiten waren da, sie waren riesig und ein Teil der Milliardenverluste ging auch darauf zurück, dass sich die HSH Nordbank im Immobiliengeschäft massiv verhoben hatte. Möchte man es auf einen Nenner bringen: Großmannssucht an Stelle kaufmännischer Klugheit.
Wer war dafür verantwortlich? Richtig: Lutz von Stryk.
Nach normalmenschlichen Maßstäben hätte die Bank diesen Mann, der ihr in der sogenannten "HSH Real Estate GmbH" gigantische Verluste beschert hatte, schlicht entlassen müssen. "
So läuft es nun mal im Kapitalismus" wäre dann der passgenaue Hohn gewesen, der dem gescheiterten Manager auf die Wunden einer gescheiterten beruflichen Karriere gestreut worden wäre. Ein "Leistungsträger" im engeren Sinne, trotz all seiner Bemühung, war Lutz von Stryk ganz sicher nicht. Denn seine Bemühungen brachten nun einmal nachhaltig rote Zahlen hervor - was durchaus ein Kunststück war, denn im Umfeld von Hamburg gab es viele Hunderte, vielleicht sogar Tausende von anderen, nur diesmal erfolgreichen Immobilienmanagern, teils solche, deren einzige Qualifikation das Abwarten war, wodurch sich in den allermeisten Fällen, aufgrund der Wirtchaftskraft der Hansestadt und ihres Umlandes, gewaltige Gewinne ergaben. Solche Talente besaß Lutz von Stryk aber nicht, und so gelangen ihm im wesentlichen nur Verluste. Pech halt. Oder auch Unvermögen.
Was solls! So in etwa muss der komplexe Gedankengang der Spitzenmanager der HSH Nordbank gewesen sein, als sie, milliardenschwer notleidend, auf den Zuschuss staatlichen Geldes angewiesen waren. Eisern gestählt in der Kunst, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen, gelang der Managerclicque der HSH Nordbank noch ein letzter Coup:
Sie schenkten ihrem Mann im Immobiliengeschäft, Lutz von Stryk, einfach mal den verbleibenden Immobilienbestand im Wert von rund 2,3 Milliarden Euro. Was solls! Dem Steuerzahler wird es egal sein. Und falls da doch einmal Nachfragen entstehen, dann faseln sie einfach von "Betriebsgeheimnissen!". Ganz easy ist das, so ein "Management-Buyout". Lutz von Stryk zahlte also im August 2013 einen Euro, und bekam im Gegenzug Immoblien im Wert von 2,3 Milliarden Euro. Den öffentlichen Kontrolleuren, ob im Parlament, ob von der Staatsregierung, den zeigt man konsequent eine lange Nase.
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Bild von Epsos |
Vom Managementversager zum Milliardär! Lutz von Stryk. Man weiß nicht, ob der glückliche Mann abends heimlich lacht, oder ob er den kaum minder bewundernwerten Herrn Nonnenmacher, seinen ehemaligen Chef, zum gemeinsamen Wein trinken einlädt. Vielleicht errichtet er noch eine Stiftung. In Luxenburg. Oder gleich mehrere. Unbekannt ist auch, ob er im Hamburger Umland ein Gestüt betreibt, so wie es bei den besseren Leuten im Umfeld der Hansestadt eben üblich ist.
Nur, kommt es darauf überhaupt an? Für Herrn von Stryk vielleicht schon. Er wird keinen Mangel barmen, und beruflich, eigentlich sehr überraschend ob seiner eigentlichen Erfolge, hat er vollends ausgesorgt. Wenn diese kleine, sehr erbauliche (Vorsicht: Wortwitz) Geschichte kein Lehrstück über den real existierenden Kapitalismus einerseits, und andererseits über die Wirkungen mangelhafter öffentlicher Kontrolle ist:
Tja, dann weiß ich ja auch nicht...
Also, so richtig viel Gedanken habe ich mir da noch nicht gemacht. Ich finde aber, dass das Faß “Identitätspolitik” riesengroß ist, und in diesem Faß schwimmen die unterschiedlichsten Dinge. Sicher ist es eine gute Idee, dabei danach zu fragen, inwieweit konkrete Identitätspolitiken (bzw. Zuschreibungen und Konzeptionen von Gruppenidentitäten) a) aus Machtverhältnissen resultieren und b) Machtverhältnisse und c) Ausschlüsse erzeugen/unterstützen. Klingt erst mal gut – und finde ich auch erst mal gut, zumal ich mich selbst als ausgesprochen machtkritisch verorte.
Es gibt nur drei Haken an der Sache – jedenfalls für mich:
1. Das Faß ist so riesengroß, dass ich es nicht überschaue. Identität ist ohnehin (sei es nun auf der individuellen Ebene oder auf der Gruppenebene, oder interdependent) ein schwieriges Ding, dass einerseits auch als Inanspruchnahme von Autonomie (z.B. Selbstkonzeption), andererseits auch als Ab- und Ausgrenzung gelesen werden kann. So Pi mal Daumen würde ich sagen (etwas im Nebel stochernd, sorry – ich weiß es nicht besser), dass es bei Identitätskonzepten sehr darauf ankommt, inwieweit diese a) ab/ausgrenzend oder anderen gegenüber abwertend wirken b) als Machtmechanismus wirken und c) dialogisch sind oder Dialog zu Personen außerhalb der Identitätsgruppe behindern. Ich nehme hier einfach mal die Identitätskategorie “Familie”, um mit diesem einzelnen Wort zu verdeutlichen, wie sehr es auf das Wie ankommt.
2. Machtstrukturen und -gefälle verlaufen nicht trennscharf anhand der Umrandungen von Schlagworten. So kann ein politisch hochaktiver Schwuler innerhalb seines Kontextes, aber auch darüber hinaus, gleichzeitig (!) marginalisiert sein, als auch (!) privilegiert bzw. Inhaber formaler oder informeller Macht. Was ich damit sagen will: Die Dinge sind nicht so einfach, und Schlagworte (z.B. zur Kennzeichnung marginalisierter Identitätskategorien) können als Denkhilfe funktionieren, zugleich aber auch relevante Fragestellungen verdecken.
Zum Beispiel: Wenn ein “gemischt Marginalisierter/Privilegierter” auf einen anderen “gemischt Marginalisierten/Privilegierten” trifft (imho: der Normalfall!), zum Beispiel ein wohlhabender schwuler Filmemacher aus großbürgerlichen Haus auf einen psychisch kranken weißen Cis-Mann und Flaschensammler aus prekärer Arbeiterklassenherkunft: Wer von beiden repräsentiert im Umgang mitenander dann eine marginalisierte Gruppe, wer von beiden stiehlt dem anderen mit seinen “Performances” den Raum, wer von beiden ist tendenziell der “Machtausübende”, wer von beiden hat Anspruch darauf, gehört zu werden, und wessen Identitätspolitik sollte bevorzugt kritisch hinterfragt werden?
Ich persönlich tendiere sehr stark dazu, erstens, das Wie sehr wichtig zu finden, und zweitens, Menschen in erster Linie als Individuen zu betrachten – und höchstens zu , ich sage mal: 15 Prozent als Ausdruck/Repräsentant identitärer Konzepte. Das heißt für mich im Umkehrschluss, dass wechselseitige Rücksichtnahme und Achtung wesentlich sind, und eben weniger die (taktisch missbrauchbare) Verortung von Identitäten. Auch glaube ich, dass Machtverhältnisse (z.B. konkrete Marginalsiierungen oder Privilegierungen) nicht allein auf Basis identitäter Konzepte adäquat dargestellt werden können.
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3. Mein Ideal von Empowerment ist im Wesentlichen individuell. In meinem Blümchen-Weltfriedensideal gehen die Menschen wechselseitig (!) empowernd um (ich finde das sogar sehr wichtig) und beurteilen sich nicht so sehr anhand der Frage, ob/inwieweit jemand_in PoC, Hetero, weiß, arm, alt, Bildungsbürger, Erbe einer Eigentumswohnung, klein, modisch, belesen, urlaubsgebräunt, stylisch oder “gut frisiert” ist.
Ich werde also, zumal im täglichen Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen, den Gedanken nicht los, dass Gruppenidentitäten bzw. deren Bedeutung allzu leicht überschätzt werden können, sei es nun aus einer eher konservativ-reaktionären Grundhaltung heraus oder aus einer vermeintlichen oder tatsächlichen Progressivität heraus.
Schlusswort:
Ich hoffe, du fühltst dich durch mein Posting nicht irgendwie belästigt oder gar geschulmeistert. Ich habe einfach nur die Gedanken aufgeschrieben und zu ordnen versucht, dir mir bei diesem Thema durch den Kopf geistern bzw. als diskussionswürdig gehalten werden.
(ich verfolge dein Blog übrigens schon – sporadisch jedenfalls – seit vielen Jahren)