09 September 2005

Eliten & Dynastien

Ja, ich weiß.

Es gilt heutzutage nicht als liberal, wenn man darauf hinweist, dass die deutsche Wirtschaft zunehmend feudale Züge ausprägt. Die deutschen "Eliten" bzw. Managementzirkel schmoren immer stärker im eigenen familiären Saft, was sie übrigens ganz und garnicht nicht hindert, sich zunehmend üppigere Anteile an den Unternehmensgewinnen zu verschaffen. Jede Wette: Heutzutage stammen weit über 90% der Spitzenmanager aus Familien, die entsprechend vorgeprägt sind. An Stelle von Spitzenleistung tritt somit (rein empirisch betrachtet zu ca. 90%) die familiäre Herkunft.

Falls jetzt gerade ein Hayek-Fan mitlesen sollte, eine gänzlich unheikle Frage an ihn: Was sagen uns derartige Entwicklungen z.B. über Funktionalität und Intensität des Wettbewerbsmechanismus - in dieser unseren deutschen Wirtschaft? Ist alles gut, weil es so ist, wie es ist? Sind am Ende vielleicht sogar absolutistisch Züge tragende Strukturen, mit denen gesellschaftlichen Eliten ihre Stellung absichern, das wahre Optimum einer auf menschliche Freiheit zielenden Gesellschaftsentwicklung?

"Schon vor Jahrzehnten hatte sich die Gründerdynastie Zentis dank geschickter Vermählungspolitik um zwei Familienstämme erweitert. Außer den Zentis' (35 Prozent) halten auch die Familien Goerdt (15 Prozent) und Döring (50 Prozent) Anteile."

Quelle: http://www.manager-magazin.de/koepfe/unternehmerarchiv/0,2828,365810-2,00.html

Nebenbei: Der augenzwinkernd verpackte und von mir hervor gehobene Begriff "Vermählungspolitik" spiegelt reale Gegebenheiten, und zwar deutlich über einzelne deutsche Unternehmer-/Manager- Familien hinaus.

Also: Wie kommen wir in der deutschen Gesellschaft dazu, dass sich der Aufenthalt in der ökonomischen Elite unseres Landes weniger über Herkunft und wieder stärker über Leistung erklären lässt?

OK - diese Fragestellung ist alles andere als zeitgemäß. Der mustergültige "Liberale" von heute stellt solche Fragen nicht, nein, er schüttelt sich befremdet und angewidert. Er redet gern über "Eliten" - er möchte aber über solche Fragen dann doch besser nicht reden. Aber nun, mein Blog heißt: Der Morgen.

Guten Tag auch.

1 Comments:

At 16 September, 2005 12:53, Blogger ed114114114114 said...

Ein Hayek-Fan staunt gerade über diese ihm bisher unbekannte Definition von Empirie (=das, was Dr. Dean meint?). Die beschriebene Situation der Konzentration von Führungspositionen in wenigen Familien ist allerdings einen Kommentar wert. Ich sehe kein Problem des Wettbewerbsmechanismus, denn der funktioniert. Eine Firma, die Posten nach Abstammung und nicht nach Leistung und Qualifikation vergibt, wird sich nicht lange behaupten können. Was nicht funktioniert, ist das staatliche deutsche Bildungssystem, das laut der allbekannten PISA-Ergebnisse weniger Aufsteiger hervorbringt als jedes andere. Wer in einer reichen Familie aufwächst, dem stehen bessere (Privat-)Schulen zur Verfügung und der kann sich auch die Ausbildung an teuren Unis in Großbritannien und den USA leisten, wo Dynastien die Stipendien für begabte Kinder aus ärmeren Familien subventionieren. Die besten Unis vergeben nun mal die Schlüssel zu den besten Jobs.
Die Frage ist, wie staatliche Schulen verbessert werden können. Ja, mehr Geld ist ein richtiger Ansatz, den ich übermorgen beim Betreten meines Wahllokals in einem staatlichen Gymnasium wieder bestätigt sehen werde. Aber das reicht nicht aus, denn nicht jeder Bürokrat gibt Geld auf kluge Weise aus. Ohne Transparenz und Wettbewerb wird sich das Schulsystem kaum verbessern. Sieht man an Amerika, die geben mehr als doppelt soviel für Bildung aus wie wir(relativ zur Wirtschaftsleistung) und hatten die gleichen jämmerlichen PISA-Ergebnisse. Ich bin für das Zentralabitur (bzw. zentrale Prüfungen), wenn schon nicht bundesweit, dann wenigstens auf Länderebene. Die Ergebnisse müssen für jede einzelne Schule veröffentlicht werden, um Eltern die Entscheidungsfindung bei der Auswahl der Schule für ihre Kinder zu erleichtern. Im Grunde sollten jedes Jahr die schlechtesten Schulen geschlossen werden.
Ein von Liberalen wie Hayek und M. Friedman propagiertes Instrument für mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulen sind sog. Bildungsgutscheine (school vouchers). Liest Du hier: http://en.wikipedia.org/wiki/School_vouchers oder ausführlicher hier: http://reason.com/9701/fe.rick.shtml (uralt, aber hey, Reformen laufen nicht nur in Deutschland schleppend)
Was die Universitäten angeht- die Studiengänge sind zu lang, zu praxisfern etc., wir haben es immer wieder gehört. Englische und amerikanische Studenten haben im Durchschnitt mit 22 den ersten Abschluss (liegt auch an der Tatsache, dass Studieren dort kostet), deutsche mit 26. Deutsche haben also gegenüber gleichaltrigen (Bildungs-)Amerikanern meist kürzere Berufserfahrung, und die zählt beim Aufstieg.
Vermählungspolitik ist kaum jünger als die Menschheit und sollte den Familien, die sie betreiben, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Meine Sympathie liegt bei jenen, die eine Liebesheirat einer Zweckheirat vorziehen. Auch die heutigen Dynastien werden den Weg aller Aristokratien gehen- in Suff und Verschwendung, schleichende Verblödung und schließlich Untergang.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home