30 Juli 2007

NATO wirft kleinere Bomben

Der NATO-Kriegsminister Jaap de Hoop Scheffer plant laut Berichten der Financial Times, denen er ein Interview gab, in Zukunft "kleinere Bomben" zu werfen, damit nicht ganz so viele Zivilisten bei den Einsätzen abgemurckst werden.

In seinem Interview in einem Fachblatt für angewandten börsennotierten Militarismus zeigt sich Herr Scheffer über die mangelende Kooperationswilligkeit der angegriffenen Zivilbevölkerung entsetzt:
Ich find das voll krass, dass die jetzt böse auf uns sind, nur, weil wir regelmäßig ein paar hundert zivile Afghanen mit Bomben tot machen. Dieses Volk ist so undankbar." (Original: "Mr de Hoop Scheffer indicated that the alliance was also planning to use smaller bombs in certain instances. He said Nato was “working with weapons load on aircraft to reduce collateral damage” although it was impossible to avoid civilian casualties entirely.")
Ob dieses Zorns von Afghanen, die dank NATO-"Antiterror"-Einsätzen vieldutzendfach ihre Verwandschaft einbüßen, wäre die NATO nach "Diplomaten"-Angaben künftig bereit, kleinere Brötchen zu backen kleinere Bomben zu werfen:
Vielleicht nehmen wir künftig statt einer 500-Kilogramm-Bombe besser eine oder zwei 250-Kilogramm-Bomben. Das ist unsere neue Strategie! Mehr Sympathie dank kleinerer Bomben! (Original: "If you put a 250kg bomb rather than 500kg bomb on the plane that could make a huge amount of difference")
Diese neue Bereitschaft der NATO, auf Zivilisten nunmehr kleinere Bomben zu werfen, steht in auffälligen Gegensatz zur lügnerischen Kommunikationstradition der NATO, bei Nachfragen hinsichtlich ihrer Einsätze grundsätzlich zu erklären, dass man von "zivilen Opfern nichts" wisse.

Ich meine: Wenn die Einsätze der NATO so konzipiert sind, dass man entweder die Öffentlichkeiten grob anschwindelt, oder nicht mitbekommt, dass im Ergebnis von "Antiterror"-Einsätzen Dutzende von Zivilisten umkommen: Dann sollte man diese Einsätze umgehend einstellen. Und sich nicht einfach damit rausreden, dass "der Feind" an den zivilen Opfern schuld sei:
"This year, Nato chiefs say that the Taliban has set out on a new path, of deliberately increasing civilian casualties by hiding among Afghan villagers"
Als ob das neu sei. Lüge. Der NATO-Kriegsminister Scheffer wiederholt diese Behauptung im aktuellen Interview:
“We see that the Taliban have changed tactics: they realise they cannot win militarily and they are now deliberately forcing civilians into situations in which they get them killed to undermine support for Isaf [Nato’s force] in Afghanistan,” says Jaap de Hoop Scheffer, Nato’s secretary-general."
Völliger Blödsinn. Die Taliban haben in Afghanistan schon immer so operiert. Neu ist lediglich die erheblich gewachsene Bereitschaft der NATO, im "Antiterrorkampf" Dörfer mit Bombenwürfen einzuebnen. Ich glaube im Übrigen nicht an das NATO-Märchen, welches sich an die verblödeten westlichen Nachrichtenmagazine richtet, dass man Terror bzw. Talibanstrukturen mit derartigen Bombenwürfen auf afghanische Bergdörfer erfolgreich bekämpfen könne. Das funktioniert nicht.

Letztlich bleibt aber alles leere Schwafelei von Herrn Scheffer und seinen lügnerischen "Diplomaten", deshalb, weil sich die verantwortlichen US-Kommandeure in Afghanistan von der NATO ohnehin keine Auflagen machen lassen. Herr Scheffer drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen aus:
“We cannot and will not micromanage military operations,” he says. “We trust our commanders in the field.”
Sie können nicht einmal ihre eigenen Einsätze managen. Punkt. Es wird, anders als von Herrn Scheffer angekündigt", künftig auch keine "kleineren Bomben" in Afghanistan geben. Der NATO-Afghanistan-Einsatz ist in vielerlei Hinsicht skandalös - und die Öffentlichkeiten werden mit leeren Worthülsen hingehalten.

Tatsache ist, dass Zivilisten in Afghanistan von US-Truppen oder britischen Truppenn teils sogar willkürlich niedergeballert werden (bislang über 14 dokumentierte Fälle für dieses Jahr), wenn es dem betreffenden Soldaten gefällt, oder dieser der Meinung ist, dass der Zivilist sich "zu schnell" oder "zu langsam" am Kontrollpunkt bewegt hat oder einfach nur "zu nah" gewesen sein soll. Peng! Das ist völlig folgenlos für diese NATO-Soldaten, während Herrr Scheffer dazu sagt:
There is no moral equivalence between Nato and the Taliban: we will do everything to stop every civilian death.
Lüge. Lüge. Lüge. Es gab keinen einzigen Fall, wo die willkürlichen Erschießungen von Zivilisten für die Verantwortlichen und Täter zu empfindlichen Folgen geführt hätten. Herr Scheffer: Sie sind ein militaristischer und dreckiger Lügner. Treten Sie zurück! Sofort!

3 Comments:

At 31 Juli, 2007 13:11, Anonymous Anonym said...

Ist ja eigentlich alles richtig, doch wenn Soldaten jedesmal warten sollen, bis sie sich auch ganz sicher sind, wen sie vor sich haben, sind sie ganz sicher sehr schnell tot. Wenn ein Soldat im Kriegseinsatz, in einer grossen Stressituation erst überlegen soll, ob er sich nun strafbar macht oder nicht, ob er vielleicht gar eine lebenslange Haftstrafe zu erwarten hat oder einen Orden, dann geht das ein wenig sehr weit am Wesen eines Krieges vorbei. Verstehen sie mich nicht falsch, ich stimme ihnen in allen Punkten zu, doch indem Moment wo ein Soldat eine Situation als gefährlich einstuft, hat er keine Wahl, er muß schiessen wenn er nicht in absehbarer Zeit selbst zum Opfer werden will. Diese Frage läßt sich nur klären, indem man Soldaten nicht in Länder schickt, wo sie nichts zu suchen haben. Ist ein Soldat jedoch erst einmal in einem Krisengebiet, hat er keine andere Handlungsalternative wenn er gegen Menschen kämpfen soll, die keine Uniform tragen und die sich unter Zivilisten verstecken. Noch einmal, der Krieg ist nicht gerechtfertigt, doch der einzelne Soldat, der dort seinen Dienst verrichtet, hat darauf keinen Einfluß, er möchte lediglich selbst gesund und möglichst in einem Stück wieder nach Hause kommen. Ich selbst war vor Jahren als Soldat in einem Krisengebiet und kann den Stress und die Angst jedes einzelnen Soldaten nachvollziehen. Im übrigen bin nicht nach dem Ende dieses Einsatzes aus Gewissensgründen aus dem Dienst ausgeschieden.

 
At 03 August, 2007 15:39, Anonymous Anonym said...

Sorry, aber das haut so nicht hin.

Keine Frage - das Statement, "kleinere Bomben" zu nutzen und sich davon ernsthaft zu erhoffen, weniger zivile Opfer in den Tod zu reissen (bzw. sich vorzugaukeln, man handle dadurch moralischer), ist absurd bis eklig. Es geht mir auch überhaupt nicht darum, amerikanische Interessen oder deren Durchsetzung zu verteidigen, aber bei aller Abgestossenheit: es macht wirklich einen Unterschied, ob man dasselbe Ziel mit einer 500 Pfund- oder zwei 250 Pfund-Bomben beschiesst.

Zwei kleinere Bomben, auf dasselbe Ziel geschossen, eliminieren gegenseitig einen Teil ihrer Durchschlagskraft (in dem Schnittkreis, in dem ihre Energien aufeinandertreffen) und erzeugen schwächere Schockwellen. Eine einzige, numinell gleichwertige große Bombe entlädt ihre Energie ungehindert und erzeugt einen gewaltigeren und grösseren Zerstörungsradius.

Diese großmäulig angekündigte Änderung ist auch strategisch zu verstehen: anstatt einen Gebäudekomplex aus mehreren Häusern mit einer gewaltigen 2000 Pfund-Bombe zentral zu zerstören - was jeder Person in 100 Meter Entfernung zur Explosion wenig Überlebenschancen einräumt - kann es tatsächlich Leben retten, das Ganze mit drei oder vier präzise geworfenen 500 Pfund-Bomben mit geringerer Durchschlagskraft durchzuführen. Sie erzeugen weniger Druck, weniger Hitze und schleudern kleinere Trümmer durch die Gegend; sie hinterlassen mehr Verletzte und Verstümmelte als Tote. In Einzelfällen mag das zu ätzenden Vergleichen führen: ist es besser, blind und ohne beide Beine weiterzuleben oder zu sterben? ... und in Einzelfällen mag das dazu führen, daß jemand anstatt zu sterben eine Vielzahl scharfer Splitter abbekommt, die entsetzlich schmerzen - aber heilen können. Bombenschadenschätzer können diese Scheußlichkeiten besser erklären.


Nicht falsch verstehen - Angriffe mit "kleinen Bomben" sind deshalb genausowenig zu befürworten wie grosse Bomben. All das ist falsch, kriminell und unsagbar grausam, und natürlich ist die Pressepolitik der NATO eine Farce der Selbstgerechtigkeit. Aber bei aller Grotesque, die in dem zwar bescheidenen, aber dennoch über Leben und Tod entscheidenden Unterschied zwischen Ihrer Darstellung und der militärischen Wirklichkeit liegt, mag es dennoch angebracht sein, auf diese "Details" hinzuweisen; und Ihr Beitrag ist in seiner aufdeckerisch anmutenden Eindringlichkeit etwas überschwenglich. "Lüge, Lüge, Lüge", "leere Worthülsen" - was Sie da schreiben, ist auch nicht gerade eine Neuentdeckung. Wie von der NATO bombardiert und wie anschliessend darüber berichtet wird, ist seit Jahren bekannt.

Und Ihr Schreckensbildchen von der B-52 ist propagandistisch bis unzeitgemäß; diese Monster setzte man noch 2002 ein, die gegenwärtigen Operationen in Afghanistan richten sich gegen punktuelle Ziele. Worin der Unterschied besteht? B-52 legen Bombenteppiche, großflächige Infernos, aus denen es kein Entkommen gibt; Kampfflugzeuge werfen meist zwei bis sechs Präzisionswaffen ab.

Bei allem Idealismus und aller angebrachten Verfechtung der Wahrheit hinter den Statements der NATO-Großkotze finde ich es besonders hübsch, wenn ein Beitrag sich auch um kontroverse, aber keineswegs unbedeutende Details kümmert, die der Gesamttendenz eher entgegenwirken - das rundet ab, erhöht die Glaubwürdigkeit und hebt den Problemcharakter der Angelegenheit stärker hervor.

 
At 30 Mai, 2011 20:31, Anonymous Generic Viagra Online said...

Verstehen sie mich nicht falsch, ich stimme ihnen in allen Punkten zu, doch indem Moment wo ein Soldat eine Situation als gefährlich einstuft, hat er keine Wahl, er muß schiessen wenn er nicht

 

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