20 August 2006

Wofür steht Günter Grass politisch?

Nach einer Woche wilden Geheules und Gebells, bei dem sich "Liberale" brüllend bemüht haben, den Autoren Günter Grass so weit wie nur möglich verächtlich zu machen, haben wir von diesen "Liberalen" lernen dürfen, dass Grass in geistiger Nachfolge zu den Nationalsozialisten stehe (z.B. der Wirrkopf Broder) oder dass er "anti-liberal" sei (z.B. die "prowestlichen" Extremisten C. Wergin oder S-Tatler).

Wer lieber aus erster Hand nachlesen möchte, wofür Günter Grass steht, welche politischen Vorstellungen er tatsächlich hat, der kann hier nachlesen, und auch hier, oder hier 3 Minuten lang zuhören (Grass ist auch hier, hier, hier, hier und hier zu hören). Für die, die Grass lieber nicht lesen oder hören möchten, - bitteschön:

Politische Programmatik von Günter Grass

- Bindung der deutschen Politik ans Grundgesetz
- Menschenwürde als Ziel und Kern des Staates
- Für Neugierde, Engagement, Authentizität und Wahrheitliebe
- Für Medienvielfalt und Meinungsfreiheit
- Für Aufklärung und Humanismus
- Gegen die Verängstigung der Bürger, z.B. durch "Antiterror"- Hysterie & Islamphobie
- Für Einwanderung, u.a. auch zur Sicherung der Renten
- Gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen bzw. "prä-emptiven" Kriegen
- Für Frieden und Völkerverständigung
- Gegen ausländerfeindliche Demagogie und für Interkulturalismus
- Für soziale Gerechtigkeit, daher u.a. gegen Steuersenkungen für Wohlhabende
- Für staatliche Bildungspolitik und Ganztagsschulen
- Für eine familienfreundliche Politik und das Bürgergeld
- Für Kündigungsgschutz und andere soziale Rechte
- Für die Förderung regenerativer Energien an Stelle von Atomenergie
- Für die Trennung von Staat und Kirche
- Gegen das unverantwortliche Schlechtreden des Wirtschaftsstandorts Deutschland
- Für die Zivilisierung des Kapitalismus
- Für einen nachhaltigen marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerb an Stelle enthemmter oder gar zerstörerischer Ausbeutungsverhältnisse
- Für Verbraucherschutz, wie beispielhaft durch Künast vorangetrieben
- Gegen Landwirtschaftssubventionen und andere Wirtschaftssubventionen
- Für das Primat demokratischer Politik vor reinen Wirtschaftsinteressen
- Für einen linken Ordoliberalismus im Interesse der breiten Bevölkerung
- Für eine gerechtere Weltwirtschaft, Freihandel und Armutsbekämpfung
- Gegen sozial unverantwortlichen Manchesterliberalismus
- Gegen den übertrieben Einfluss von Wirtschaftslobbyisten und Partikularinteressen
- Für eine besonnene und lernfähige Politik, idealerweise unter Rot-Grün

"Wer den Kapitalismus vor dem Kollaps bewahren will, muss ihn wiederum zivilisieren, das heißt, ihn zur gesellschaftlichen Verantwortung im Sinn einer Sozialen Marktwirtschaft zwingen." (Günter Grass 2005)
Wir leben Zeit der politischen Verdrehungen, wo derartige Vorstellungen allen Ernstes "anti-liberal" genannt werden, und zwar von selbsternannten bzw. sogenannten Hexenjägern "Liberalen", wie z.B. diesem üblen Extremisten hier.
"Was sich zur Zeit „Neue Linke“ nennt, krankt immer noch an den Folgen des kommunistischen Staatskapitalismus und hat nur Forderungen, keine Lösungen zu bieten." (Günter Grass 2005)
Günter Grass ist klassisch linksliberal. Noch Fragen?

11 Comments:

At 20 August, 2006 17:22, Anonymous Anonym said...

Cool wie hier ein Waffen-SS Mann verteidigt wird, der 60 Jahre zu feige war die Wahrheit zu sagen. Stattdessen überzog er alle die nicht in sein Weltbild passten mit der Moralkeule.

Nun, wo er sie selbst zu spüren bekommt, da heult er rum. Im Chor dazu seine Freunde und Unterstützer.

Es ist widerlich, wie ein SS-Mann hier verteidigt wird, der aus rein kommerziellen Erwägungen mit der Wahrheit heraus rückt, damit überhaupt jemand sein Buch kauft.

 
At 20 August, 2006 17:37, Blogger John Dean said...

Nun, wer hier und woanders widerlich ist, darüber könnte man prima streiten.

Indes: Ich habe Grass nicht "verteidigt". Es wurde nur ganz sachlich dargestellt, für welche politischen Positionen Günter Grass steht.

 
At 20 August, 2006 19:22, Anonymous Anonym said...

"Günter Grass ist klassisch linksliberal."

Wow, das ist ja ne echte "Neuigkeit". Hatte Wergin also recht. Grass ist antiliberal.

 
At 20 August, 2006 20:03, Blogger John Dean said...

Lieber matthias b.,

Deine Auffassung, dass Neocon-Militaristen "liberal" seien, während Linksliberale hingegen "anti-liberal" wären, die hast Du exklusiv.

Im Gegensatz zum Anomymling hast Du aber immerhin den Arsch in der Hose, Deine Meinung nicht völlig anonym kund zu tun.

Das ist bereits ein Fortschritt.

 
At 20 August, 2006 20:22, Anonymous Anonym said...

- Für Neugierde, Engagement, Authentizität und Wahrheitliebe

 
At 20 August, 2006 21:12, Blogger John Dean said...

@Anonymling

Und? Ist die Biografie von Grass Ihrer Meinung nach unwahr? Oder meinen Sie, dass es unnatürlich und höchst unredlich ist, wenn sich ein Mensch schämt?

Grass hat immer gesagt, dass er als Jugendlicher höchst "dumm" war und dem Nationalsozialismus auf dem Leim gekrochen war. Das geht u.a. aus den Quellen hervor, die Sie hier im Beitrag vorfinden.

Macht es für Sie einen so großen Unterschied, wo er als 17-Jähriger diese Art der Dummheit ausgelebt hat?

Schwerlich. Lieber Anonymling:

Ihnen geht es, vermute ich, nur um die Person Grass - die Sie wegen seiner liberalen politischen Haltung nicht ertragen können.

 
At 20 August, 2006 23:59, Anonymous Anonym said...

@Dean:

Es ist schon auffällig, wie hier wegen einem verspäteten wahren Geständnis herumgepoltert wird, wenn man zugleich sieht, wie die gleichen Claqeure sich selbst dann noch vor die notorische Lügnerin und Betrügern Ayaan Hirsi Ali / Magan gestellt haben, als sie bereits "abgedankt" hatte. Den gleichen Respekt, den man damals von ihren Kritikern verlangte, gesteht man nun Grass nicht zu? Das ist bigott und verlogen, nichts weiter.

Diese Leute können Grass locker verzeihen, dass er in der Waffen-SS war, jedoch nicht, dass er ihnen als "Moralapostel" die Möglichkeit genommen hat, selbst in einer gewesen zu sein oder anderweitig am rechten Rand unbemerkt herumfummeln zu können. Sozusagen die "Rache" der politisch-inkorrekt Verreckten, Gutmenschen-Hasser und Mulitkulti-Warner, also der ganzen Riege Ewiggestriger, die aus den Fehlern der Vergangenheit eben nichts gelernt hat.

MfG

Daniel

 
At 21 August, 2006 00:38, Anonymous Anonym said...

Lieber Dr. Dean,

ich habe nie behauptet, dass Neocon-Militaristen "liberal" seien.

Das nur noch mal kurz zur Richtigstellung.

Ganz im Gegenteil, in den Kreisen, zu denen ich mich ideologisch zugehörig fühle, wird deren Beführwortung militärischer Gewalt zu außenpolitischen Zwecken durchaus kritisch gesehen.

Siehe hier:

http://de.liberty.li/magazine/?id=703
und
http://de.liberty.li/forum/showthread.php?f=4&t=1271

 
At 23 August, 2006 12:20, Anonymous Anonym said...

Wie dumm man mitunter mit 17 sein kann, weiß ich von mir. Da habe ich nämlich noch dern SPIEGEL gekauft und aus Überzeugung gelesen. :)
Vielleicht sollten die Herrschaften Neomoralisten einfach mal dieses Buch lesen, um einzuordnen, warum man damals was gedacht und getan hat.

 
At 24 August, 2006 15:10, Blogger Tom Schaffer said...

nun, mit dem urteil über grass, das schreib ich auch in meinem blog, kann ich unserem dr. dean recht geben.

die klassifizierung - ist grass ein linkssozialer, klassischer linksliberaler, oder einfach nur ein antineoliberaler linker liberaler - ist unnötig kinderkacke.

 
At 31 August, 2006 13:25, Anonymous Anonym said...

Die Waffen-SS-Geschichte von Grass ist deutsche Geschichte.
Wir kommen daher.

Ihn als SS-Mann zu bezeichnen, ist allerdings reine Polemik und darüber hinaus üble Nachrede.

Das er Linksliberal sein soll, ist mir noch nicht aufgefallen.
1990 hat er das Vierte Reich vorausgesehen.

Schriftsteller sollten sich politischen Äußerungen enthalten.
Siehe auch Handke.

Was bleibt sind seine frühen Werke aus den 50-ern.

Alle Spätere ist SPD-Ortsvereinsprosa.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home