01 April 2006

Serielle Musik und Adorno (SMuA)

Der arme Adorno wusste vermutlich nicht, als er seine gewillkürten Ansichten über Musik zu Paper brachte, dass er damit von vielen Menschen ernst genommen werden würde. Um seine bildungsbürgerlichen Missverständnisse von Musik nicht unnötig tief zu diskutieren, an dieser Stelle nur ein Gedanke:

Würde man die Kompositionstechniken und Grundsätze der seriellen Musik auf die Verfassung von Büchern übertragen (!), würde man also z.B. Gedanken, Worte und Stilistiken zusammenhanglos klingend nach mathematischen Formeln reihen, dann käme dabei nicht einmal dies heraus:

Adorno, Theodor Wiesengrund: "Einleitung in die Musikpsychologie", Frankfurt, 1962

P.S.
Ich finde, man sollte sich Adornos Werk und seiner Apokalyptik mit Skepsis nähern. Mein Lesetipp wäre aber weit eher das gemeinfreie literarische Werk von Jakob Wassermann, welches ich trotz blumiger Sprache sehr mag.

P.P.S.
Ich überlege gerade, ob ich nicht einfach mal aus Jux an der Freud Fünftonmusik komponieren sollte, unterlegt z.B. mit geschichtslügnerischen Reden von Graf Lambsdorff. Soll ich?

20 Comments:

At 02 April, 2006 02:00, Anonymous Anonym said...

Unbildung gemischt mit Falscheit macht den guten Kautzkyaner aus.
Die Musiksoziologie, vom grossen Begründer des Rassismus, Liberalismus und Kapitalismus Max Weber "erfunden" steht dem in nichts nach. Tatsächlich halte auch ich Herrn Wiesengrund für einen völligen Volltrottel, aber das er diesen Unsinn nicht erfunden hat sondern die Liberalen das muss auch klar sein. Überhaupt hat der Verfasser dieser Zeilen schon mal was von der pythagoreischen Tonleiter gehört? Themenrecherche kann nie schaden. Aber Liberalismus und Unwissenheit bilden ein unwahrscheinlich zähes Konzentrat. Wer da einmal drinsteckt der kommt nicht mehr raus. BÜcher lesen! Und damit meine ich nicht Mickey Mouse sondern Marx, dessen Werk erschliesst sich nur im Kontext von Hegel, Fichte, Schiller, Goethe, Platon und Aristotel.

 
At 02 April, 2006 02:21, Blogger John Dean said...

@Linksblogg
- Tonleitern inkl. pythagoreisch: ja
- Themenrecherche: ja
- Unwissenheit: trotzdem (& anwachsend)
- zäh: bitte nicht!
- Heiigenschein: nur für mich
- Mickey Mouse: unterschätzt
- Hegel: nein, danke
- Fichte: dito
- Goethe: sehr gern z.B. die Briefe

Sollte ich vorschnell aufs Sakrament gepinkelt haben (bzw. den Hausheiligen der Kritischen Schule zu Unrecht, ähem, kritisiert), dann bitte ich um Verzeihung, achja, und um Mitteilung, was an Adornos höchst individuellem theoretischen Verständnis von Musik denn überhaupt a) von Wert und b) generalisierbar oder gar c) wahr ist?

Achja, und dann bitte ich noch zu beachten, dass der gute Mann sehr gerne Tango hörte, und allerlei Musik komponierte, die im Gegensatz zur eigenen Theorie stand...

*gnihihi*

Trotzdem linksblogg, bis hierhin schon mal danke für den meinungsstarken Beitrag!

Das mag ich wirklich. Nur im Fall allzu großer Wut (auf meine Ansichten bzw. meine kümmerliche Existenz) lasse ich Kommentare polizeilich räumen.

Sei also willkommen!

 
At 02 April, 2006 10:47, Anonymous Anonym said...

Kann mir ja den Hinweis nicht verkneifen, daß ohne die Rationalisierungsthese von Max Weber, also jene von der "Entzauberung der Welt", Adornos und Horkheimers "Dialektik der Aufklärung" so und in der Form nicht hätte geschrieben werden können. Gab ja nicht umsonst auch immer mal wieder das Schlagwort des "Weber-Marxismus". Fichte war abgesehen davon so ohne auch nicht hinsichtlich eines ziemlich krassen Nationalismus ... der gehört nun wirklich in die Abstellkammer der Philosophiegeschichte. Schopenhauer hat nicht umsonst einen Stuhl neben seine Mitschrift der Fichte-Vorlesung gezeichnet, als dieser die These vom "Ich, das sich setzt" referierte (vgl. Rüdiger Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie, eine ziemlich großartige Einführung in den deutschen Idealismus, ganz unabhängig davon, was man von Safranski sonst so hält).

Und daß Adornos konkrete Analysen populärer Musik zwar streckenweise oder gar vollumfänglich von der Unkenntnis ihres Gegenstandes zeugen, ist wohl wahr. Nichtsdestotrotz macht die Perspektive, aus der kritisiert wird, allzu oft Sinn. Und Sätze wie "Das Kollektiv der Lacher parodiert die Menschheit" oder "Kulturindustrie schlägt alles mit Ähnlichkeit" sind bis heute einfach unübertroffen.

Insofern plädiere ich mal für das Bleibenlassen der Verschlagwortung von Philosophen und anderen Denkern und stattdessen einen Einstieg in deren Werke in ihrem Facettenreichtum (es ist Sonntag morgens, noch recht früh, da schreibe dann immer so gestelzt). Von mir aus sogar in das Werk von Fichte ...

 
At 03 April, 2006 02:19, Anonymous Anonym said...

Adorno spricht von Kunstwerken, seine Musikpsychologie ist dagegen Wissenschaft. Das sind 2 unterschiedliche Kategorien, mit auch unterschiedlichen Zielsetzungen. In der Literatur ist so ein serielles Vorgehen nicht nur möglich, sondern nicht einmal besonders avantgardistisch. Das sind die frühen 60er.

Serielle und atonale Musik? Techno.

 
At 03 April, 2006 06:48, Anonymous Anonym said...

Adorno setzte sich zwar für die serielle Musik (~ 1950'er) ein, stand ihr aber eher skeptisch gegenüber. Wenn Sie "seriell" weiter verstehen, also auch die frühere Zwölftontechnik darunter begreifen, sieht es zwar etwas anders aus, aber auch hier ist Adornos Position nicht eitel Emphase.
Aber ich fürchte, Sie haben eh kein Interesse an ästhetischer Reflexion. Die des Herrn Adorno (so ätzend er sie auch immer aufgeschrieben haben mag) können Sie wohl nur als drollige Zwangsneurose sehen, von der er sich - wieder drollig - zum Glück auch mal beurlaubt hat.

 
At 03 April, 2006 16:14, Blogger John Dean said...

Mir ist immer noch unklar, was an Adornos musiktheoretischen Spekulationen von Wert ist. Bringt es mich weiter, und wenn ja: Inwieweit?

Hat er das Wesen von Musik erkannt? Ja, und noch gründlicher hat er es verfehlt, was ja seine wohl verdiente Enttäuschung als Komponist zeigt.

Musik ohne Affirmation, ohne Emotion? Bah!

Überhaupt: Wie kann man etwas so Hochspekulatives wie Adornos Musiktheorie für "Wissenschaft" halten?

Gelehrtengeschwätz, mit der Betonung auf Geschwätz!

Wissenschaft beginnt für mich erst dort, wo ich etwas belegen und widerlegen kann. Wo das in Adornos überladener Musiktheorie überhaupt möglich ist, da bleibt eigentich nur die letzte Möglichkeit, also die Falsifikation.

Und zu allem Überfluss widerspricht sich der Mann (auf diesem Gebiet) ständig. Seine Verehrerschar merkt es nur nicht, was ich wiederum gut finde, weil es belegt, dass man seine musiktheoretischen Texte auch dort nicht für voll nimmt.

Ich gehe einen winzigen Schritt weiter: Als Musiker muss ich von Adornos Ansichten zur Musik nicht wissen, deshalb, weil sie sinnlos sind. Als Musikhörer sind sie nicht minder sinnlos, dienen aber einer philosophisch-mystisierenden "Hebung" desjenigen, der davon Gebrauch macht.

Anders gesagt: Bildungsbürgerliches Ressentiment.

Dort, wo Adorno seine Ansichten auf überprüfbare Weise zu formulieren bereit ist (was für eine Gnade für einen "Wissenschaftler"!), dort ist er widerlegbar, z.B. in seiner simpelnden und angeblich psychologisch-wissenschaftlichen Kategorisierung von Musikhörertypen.

Warum darf man eigentlich nicht sagen, dass Adornos Ansichten zur Musik Schrott sind, ja sogar bedeutungslos und in fast jeglicher Hinsicht unnütz?

Ist es eine exklusive und herkulinische Gedankenleistung, den Begriff "Musikindustrie" kritisierend zu gebrauchen - und mehr oder minder starke Zusammenhänge zur gesellschaftlichen Entwicklung darzustellen?

Nein.

 
At 04 April, 2006 03:09, Blogger John Dean said...

"Sicher kannst Du das gering achten und Dich darübner lustig machen."

Man beachte das das!

Ich habe (einen Beitrag weiter) eine Alternativtheorie skizziert (bitte diesen Link verfolgen und gaaanz unten gucken, und zwar hübsch getarnt mit "P.S."). Nicht so pompös wie bei Adorno (bzw. - er ist ja garnicht schuld - und entspricht in seiner Argumentation vielen Theoretikern der klassischen Moderne), aber dafür handfest (das meint: von der Realität abhängig und auf die Realität mit guten Ergebnissen anwendbar).

Um es kurz zu machen: Erstens, ist Adornos kulturpessimistische Idee, dass der Bezug auf Traditionen (oder noch weiter: auf Hörgewohnheiten) "repressiv" sei (usw. usf.) reizvoll, nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig, vor allem in seiner Praxis, in seiner Anwendung.

Und das ist der Punkt: Nicht ganz richtig. Wenn meine Theorie stimmt, dass Musik ganz wesentlich auf Hörgewohnheiten Bezug nimmt, dann entwerten nämlich die Ansichten der modernen "Klassiker" das kulturelle Wissen und Erleben der Musikrezipienten (und auch: der Musiker und Komponisten).

Der musikalische Mangel - sofern im hysterisch aufgeblasenen Umfang überhaupt vorhanden - wird also flugs mit dem BaalzeBub ausgetrieben, nämlich mit einem Verlust, der garnicht erst gut zu machen ist.

Zweitens ist aber die ganze Sichtweise (aus dem Blickwinkel von Repression, Monotonie und, ähem, angeblich minderwertiger Kultur heraus) nicht nur einseitig, er ist auch falsch.

Wenn Adorno z.B. im seichten Jazz das Wechselspiel zwischen Improvisation und konformer Musiktradition angreift, so ist das in meinen Augen zwar ein interessantes Geschmacksurteil, man könnte es sogar teilen, aber ganz weit weg von einer wissenschaftlichen Wahrheit.

Er verkennt dabei vieles, ähnlich wie jemand, der sich im Mittelgebirge auf die Spitze eines hohen Berges setzt, und dann sein Panorama beschreibt.

Das Panorama mag (einigermaßen) stimmig beschrieben werden, nur beschreibt unser Bergwanderer bei aller Sorgfalt und Bemühung damit eben nicht das ganze Mittelgebirge. Er vergisst jede Menge Höhen, die ihm Entgehen, jede Menge Täler und Bäche, von denen er nicht einmal ahnt.

Und Adorno ahnt z.B. nicht, dass eine Improvisation im Rahmen des von ihm so gehassten konformen Jazz eine musikalische Wertigkeit hat und vielleicht sogar der "Wahrheit", die Adorno in der Musik sucht, näher kommt als jegliche moderne Klassik.

(Übrigens, so verrückt diese Behauptung klingen mag, die Wahrheit dieser Aussage über "Wahrheit in der Musik" und/oder evtl. gegebener Transzendenz hängt vom Hörer ab, also auch seinen musikalischen Vorerfahrungen, seinen kulturellen Kontext und vieles mehr)

Adorno ahnt einfach nicht ausreichend, was Musik für andere als ihn bedeutet. Nun, und das kann durchaus sehr verschieden sein.

Ebenjene "repressive" Jazzmusik (oder auch Popmusik oder was uach immer) kann nämlich - abhängig vom Kontext - sogar Ausdruck einer Emanzipation oder einer Form von kultureller Verfeinerung darstellen.

Adorno und mit ihm zahlreiche Anhänger vergleichbarer musiktheoretischer Ideen verkennen auch den Wert "unterkomplexer" Musik.

Eine dritte Einwendung (ich hätte aber noch rund ein Dutzend in petto) betrifft einen ziemlich faszinierenden Zusammenhang (spätestens jetzt sollte man den von mir oben angegebenen Link mal durchlesen):

Ausgehend von der (oft zutreffenden) Beobachtung, dass mit der Entfernung von musikalischen Konventionen (z.B. starr genutzten Kadenzen usw.) ein musikalischer Gewinn eintritt, eine Art "Befreiung des Geistes" verfielen u.a. die Theoretiker der modernen Klassiker einem fundamentalen Extrapolationsfehler.

Diesen fundamentalen Extrapolationsfehler (wird noch genauer erklärt) konnten sie, wiederum mit einer parallelen Beobachtung abstützen, nämlich, dass starre konventionelle Musik oft nur für starre konventionelle Menschen (hier ist auch der von Adorno zurecht kritisierte Typ des Untertans ein Beispiel) taugt.

Nur: Sie gingen mit ihren Konsequenzen aus diesen Beobachtungen zu weit und stürzten unverhofft und nutzlos polternd über eine Klippe.

Was war geschehen?

Überdehne ich als Komponist bzw. Musiker den "Neuigkeitswert" (sorry, hier fehlt ein besseres Wort) in der Musik, verzichte ich gar auf jeglichen Bezug, weitgehend auf bekannte Harmonien und Hörmuster (!), dann wird die Musik plötzlich nicht mehr befreiend, sondern nur noch desorientierend. Sie verliert zudem genau die Qualität (z.B. erlebbare Transzendenz), die doch eigentlich befördert werdeh sollte.

Das ist hochinteressant!

Tatsächlich (unter den Musikern dürfte das besser nachvollziehbar sein) ist eine musikalische Beschränkung (z.B. in der Instrumentierung, Harmonie, Rhythmik, usw. usf.) mitunter ein Gewinn!

Vierte Einwendung: Kinder können ein guter Maßstab sein. Malträtiere ich nämlich unter großen Anstrengungen verschiedene Gruppen von Kindern mit bestimmten Formen von Musik, so werde ich die erstaunlichsten Beobachtungen machen.

Man kann Dinge beobachten, die klar für Adornos Musiktheorien sprechen, aber auch das Gegenteil, z.B. das völlige Versagen der modernen Klassik.

Man kann sogar (ich finde das höchst erstaunlich) Kinder in begeisterte Zuhörer und sogar Produzenten von Freejazz verwandeln.

Vieles ist möglich, aber mit serieller Musik und auch bei Zwölftonmusik wird der Befund für Anhänger dieser Musik(theorien) deprimierend sein.

Untersucht man den Spaß dann z.B. gehirnphysiologisch, so stellt man fest, dass (abgesehen von häufigen Widerwillen) diese angeblich "fortschrittliche" (m.E. den Menschen weggelaufene) Musik selten anregt, und kaum wirkt wie Musik.

Ich nehme das als Beleg dafür, dass die Fantasterien (so nenne ich das mal) das Wesen von Musik missverstanden haben. Sie sprachen zwar mitunter theoretisierend vom Zusammenhang zwischen Musik und Sprache, aber sie begriffen diesen Zusammenhang nicht.

Stattdessen wollten sie, um ein Bild zu nutzen, mit dem Hörer unaufhörlich und ständig wandelnd immer wieder in neuen Sprachen sprechen, die der Hörer erst einmal erlernen oder entschlüsseln muss.

Das ist Mist. Es ist zwar Musik , aber in Formen, die wenig taugen, vor allem deshalb, weil sie nicht im erforderlichen Umfang Bezug nehmen.

Und aus diesem Grund halte ich auch die meisten aktuellen (und im Vergleich zu früher deutlich "fortschrittlicheren") Formen von Jazz für musikalisch minderwertig.

!!

Mögen geschulte Hörer hier noch eine Berührung aufnehmen, aber für einen durchschnittlichen "musikalischen Musikhörer" ist so etwas der Tendenz nach eine höhere Form des Rauschens.

Es bewegt - abgesehen von einer engen vorgebildeten Spezialhörerschicht - nicht, es bleibt auch nichts hängen, es führt nicht zu irgendwelchen Erlebnissen von Schönheit oder Freiheit, ja, trotz kunstfertiger Instrumentenbehandlung oft nicht einmal zum Gefühl, mit Musik zu tun zu haben.

Im Ergebnis erhalten wir also nur enge Spartenmusik, musikalische und soziale Desintegration, dünkelhafte Spezialmusikhörer-Gruppen usw.

Das kann man gut und schön finden, muss man aber nicht. Ich gebe zwar jeder speziellen Kunstform, die ihren Nutzerkreis findet, gerne ihr Lebensrecht, also auch der seriellen Musik, aber ganz gewiss kein Recht auf Allgemeinverbindlichkeit.

Das wäre totalitär, ach was sage ich: Es würde bereits den verheerenden und unfreiheitlichen Geist maschinenhafter Unterdrückung atmen, jedenfalls eine unnütze Einengung darstellen.

Ergo: Adornos Musiktheorie in die Tonne.

 
At 04 April, 2006 05:39, Anonymous Anonym said...

@ dr.dean: Kunst hat immer den Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit. Die setzt allerdings Vorbildung voraus.
"Es bewegt - abgesehen von einer engen vorgebildeten Spezialhörerschicht - nicht, es bleibt auch nichts hängen, es führt nicht zu irgendwelchen Erlebnissen von Schönheit oder Freiheit, ja, trotz kunstfertiger Instrumentenbehandlung oft nicht einmal zum Gefühl, mit Musik zu tun zu haben."
Warum empören Sie sich nicht darüber, dass so vielen Menschen die avanciertesten Genüsse auf dem Gebiet der Musik vorenthalten werden, weil sie nicht die Muße für die entsprechende Vorbildung haben. Vielleicht kann man die weitere Diskussion auf die Frage zuspitzen, ob es einen Fortschritt in der Musik gibt oder immer nur subjektives Miss- und Wohlgefallen.

 
At 04 April, 2006 13:00, Anonymous Anonym said...

@che
Nun ja, die Frage, ob es einen Fortschritt in der Musik gibt oder alles nur eine Frage des subjektiven Gefallens ist, macht schon einen Unterschied ums Ganze. Denn nur im ersten Fall ist musiktheoretische Reflexion wissenschaftlich. Und dann würde auch der Adorno interessant werden.

 
At 04 April, 2006 14:50, Anonymous Anonym said...

@ che
Entschuldigen Sie, ich weiß nicht, ob ich die Dead Kennedys überhaupt schon mal gehört habe. Ich urteile nicht so knallhart wie Adorno über Musik, die ich erstmal der Kulturindustrie zuordnen würde. Im übrigen bin ich auch keineswegs ein sattelfester Adornit oder mit fundiertem Wissen ausgestatteter Musiktheoretiker.
Aber ich hatte den Eindruck, sie wollten mit den DK ein Zugeständnis an das mainstream-Bewusstsein von Musik machen. Mit ihrem Vergleich von LSD und Avongard - sicher nicht verkehrt, das hat wohl schon auch mit psychotischen Zuständen zu tun -, dachte ich, wollten sie diese für die gefestigten Personen reservieren. Ich finde dagegen, da darf man auch mal ein bisschen kompromisslos sein.
Andererseits würden mich die DK nun wirklich interessieren, wie ich mich überhaupt frage, ob nicht auch in der Kulturindustrie noch was geht.
P.S. "Das Zerlegen der Musik in ihre tonalen Segmente, sozusagen die atomistische Dekonstruktion der Musik" - machen das etwa auch die DK?

 
At 05 April, 2006 11:32, Blogger John Dean said...

@Nullanda
Was für ein Kunstverständnis soll das sein, die sich eine "Allgemeinverbindlichkeit" (*Gnihihi*) für serielle Musik oder die spezielle Musiktheorie Ardonos wünscht?

Kunst, wie ich sie verstehe, hat auch mit Emanzipation und Freiheit zu tun. Repressive Normen, und seien sie im Adorno-Farbton bemalt, sind eben dies: repressiv.

@Che
Fortschritt in der Musik sieht in jeder Epoche anders aus. Ich habe meinen Zweifel daran, dass eine allgemeine Theorie dies jemals fassen oder sogar voraussehen könnte. Musik ist m.E. nicht immer Fortschritt. Unfortschrittlich (aber in seinem Geschmack akzeptabel), ist in meinen Augen derjenige, der in der Musik nur die Formen und Ideale der Vergangenheit akzeptiert, rezepiert oder nutzen kann, wie auch derjenige, der nur und ausschließlich in der Abkehr vom Bekannten Fortschritt zu erkennen vermag.

Zum Elend der Musiktheorie von Adorno gehört auch die Vermischung aus fragwürdigen Geschmacksurteilen mit angeblich allgemeingültigen Wertungen, und dies dann jeweils pauschal auf ganze musikalische Gattungen angewandt.

Musiktheoretischer Rassismus also.

P.S.
Ich fand, ich habe mich bislang, als angeblicher oder tatsächlicher "Banause", in der Diskussion ganz gut geschlagen. Die entscheidende Frage ging aber unter:

Soll ich nun die vorgeschlagene Fünftonmusik komponieren - oder besser nicht?

 
At 05 April, 2006 15:31, Anonymous Anonym said...

@ Dr. Dean
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so am Adorno festbeißen. Wenn seine Wertungen gar nicht allgemeinverbindlich sind, dann sagen Sie doch was dagegen. Adorno ist eben nur ein Beiträger in der ästhetischen Reflexion - ob einer, der einem was zu sagen hat, muss man dann halt sehen. Sie meinen aber ästhetische Reflexion an sich kann sich nur in subjektiven Geschmacksurteilen abspielen, die mal häufiger, mal seltener zusammengehen. Ein Argumentieren scheint Ihnen da ein Ding der Unmöglichkeit.

 
At 05 April, 2006 15:52, Anonymous Anonym said...

@ Dr. Dean
"Zum Elend der Musiktheorie von Adorno gehört auch die Vermischung aus fragwürdigen Geschmacksurteilen mit angeblich allgemeingültigen Wertungen, und dies dann jeweils pauschal auf ganze musikalische Gattungen angewandt. Musiktheoretischer Rassismus also." Was soll diese Stänkerei? Sie mögen radikale avangardistische Musik ganz pauschal nicht. Das bedeutet, um auf Ihren fragwürdigen Vergleich mal einzusteigen, dass Sie wie Adorno Musikgattungsrassist sind - mit dem Unterschied, dass Sie sich an der pseudowissenschaftlichen Verbrämung seines Rassismus stören, während Sie ganz bodenständig dazu stehen.
Irr' ich mich oder lässt sich in Ihren Ausführungen ein ganz unschöner Anti-Intellektualismus entdecken?

 
At 05 April, 2006 16:31, Anonymous Anonym said...

@ alle
Was ist denn das Elend an dieser Diskussion?
Ein Grund, warum hier nicht so richtig stringent eine Frage diskutiert wird, ist doch, dass man eigentlich verschiedene Fragen unterscheiden müsste.
Was meinen wir denn, wenn wir "Adorno" sagen? Ich hab da diffus im Kopf: Eine Theorie, die irgendwie Kunst und Gesellschaft zueinanderrückt, ja, nach der Kunst etwas über Gesellschaft aussagt - und wenn sie das nicht tut, ist sie nicht bloß bezüglich dieser Aussage falsch, sondern auch in ästhetischer Hinsicht.
In meiner Antwort auf das P.S. in Dr. Deans Artikel "Mit 'Indizieren!' aufgewacht", habe ich auf Adornos "getreuen Korrepetitor" hingewiesen, der erstmal bestimmte Werke (z. B. Webenrs Bagatellen) eingehend betrachtet. Da geht es um das Medium Musik in konkreten Beispielen.
Ich hänge mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass - auch für Adorno - der Zusammenhang von Musik und Gesellschaft nicht so billig herzustellen ist: man hört ganz schön wilde Musik, woraus man dann schließen muss, dass der Komponist die Revolution will.
Schönberg und Webern trauerten ihrem Franz Josef nach oder wieder hieß; Berg war vielleicht Sozialdemokrat.
Kurz:
a) Zunächst gibt es die innerästhetische Frage, ob es einen Fortschritt in der Musik gibt und wie der aussieht.
Dahin gehören so Fragen wie "Warum wird die Durchführung bei Beethoven länger als bei seinen Vorgängern?" (Was ich nebenbei eindeutig als Fortschritt sehe.)
b) Ich glaube schon bei Schiller, wenn nicht noch vorher, gibt es die These, dass ein Kunstwerk, das ja seine Stringenz und Verbindlichkeit aus immanenten Gesetzen bezieht, also eine Welt für sich ist, Darstellung der gesellschaftlichen Totalität ist.
Adorno wollte halt meistens nicht über den Kleinscheiß "Analyse im Detail" schreiben, die konnte er, das konnten Bildungsbürger im emphatischen Sinn. Er setzt die Analyse im Detail voraus und widmet sich eher der zweiten Frage.

 
At 06 April, 2006 11:14, Blogger John Dean said...

@Che
Wenn man eine - in sich ziemlich unstimmige und dennoch für alle Musikphänomene wissenschaftliche (!) Allgemeinheit beanspruchende - Musiktheorie als eine Erscheinung einer wünschenswerten "konsequenten Radikalisierung" wertet, dann sagt man damit ja zugleich auch, dass diese Theorie
a) radikal ist und
b) unwissenschaflich ist.

Punkt b) erläutere ich.

Adornos Musiktheorie (AMT) ist m.E. tatsächlich vor allem und in erster Linie eine "radikale Erscheinung", und jede Menge anderer Radikalitäten sind in gleichwertiger Weise möglich, deshalb, weil der eigentliche Inhalt nahezu egal ist, solange er einen bestimmten radikalen Habitus zeigt.

Wissenschaftliche Musiktheorie strebt hingegen nicht nach Radikalität und Exklusivität, sondern nach allgemeiner Wahrheit - die übrigens schwer zu erlangen ist.

(Kleine Randnotiz: Begreift man verschiedene Formen von Musik als unterschiedliche musikalische Sprachen und Dialekte, dann z.B. die Frage nach dem Fortschritt höchst kompliziert, und eigentlich nur innerhalb einer Sprachfamilie zu diskutieren)

Der Punkt ist, und das scheint hier kaum jemand der Diskutanten zu erkennen und als Argument anzuerkennen, dass Adorno mit seiner AMT im Gestus des Wissenschaftlers auftritt, und zwar als einer, der die Wahrheit gefunden hätte.

Das ist der Punkt, wo er sich - und seine Anhängerschaft nicht minder - blamiert und intellektuelle Redlichkeit sinnlos fortwirft.

Wäre er als spekulierender, gebildeter Schriftsteller aufgetreten, also als jemand, der lediglich Hypothesen, Sichtweisen und Ansichten präsentiert, und dazu höchst interessante Blickwinkel (all dies lässt sich sagen), dann wäre das notwendige Urteil über seine (immer noch unzulängliche) Musiktheorie hingegen völlig anders.

Gebildete und an einigen Stellen begründete Spekulation ohne Wahrheitsanspruch, aber als Anregung: Ja, warum auch nicht?

Eine hochspekulative, schlimmer noch, vielfach widerlegte Musiktheorie als "wissenschaftliches Werk":

Lächerlich und unanständig.

Gemessen an Adornos absoluten Wahrheitsanspruch (den er sogar in der Musik suchte) und gemessen an der repressiven Einengung, die sich aus AMT wiederum zwingend ergibt, ist AMT meinetwegen "radikal", allerdings auch im Sinne von radikal widersprüchlich und radikal unsinnig. Würde man sie allgemein und uneingeschränkt anerkennen und zum Maßstab machen, so wäre sie unausweichlich (das folgt aus dem inneren Gehalt von AMT) radikal totalitär.

Seine musiktheoretischen Anhänger nutzen sehr gerne z.B. das Wort "Banause" - womit sie ungewollt einen inneren Zweck von AMT vorführen, nämlich die Zeleberierung von Dünkelhaftigkeit, die Selbsterhöhung auf Basis bloßen Geschmacks, verbunden mit der Herabwürdigung anderer, und zwar (was für eine Idiotie!) auf Basis von Musik.

Musik als Diskriminierungsmittel, Musiktheorie als Methode des Ressentiments - das ist Adornos Musiktheorie.

@nullanda
Hier im Blog wird gedutzt.

Ich finde es - unter dem Aspekt von Wissenschaftlichkeit - schon mal sehr lustig, dass du Widersprüche und Defizite in der Musiktheorie von Adorno nicht erkennen kannst. Es könnte damit zu tun haben, dass du AMT kaum kennst. Und doch verteidigst du sie...

Du sagst über AMT: "Adorno ist eben nur ein Beiträger in der ästhetischen Reflexion". Aha - und wozu willst du dann weitere Kritikpunkte bzw. Belege für meine Behauptung, dass AMT nicht allgemeinverbindlich ist?

"Sie mögen radikale avangardistische Musik ganz pauschal nicht." Irrtum. Es gibt selbstverständlich wenig, was mir hier gefällt (allerdings finde ich z.B. Opern von Alban Berg teils sogar großartig).

Oft gehört es zur habituellen Strategie musikalischer "Avantgardisten", nicht nur zu neuen Ufern aufzubrechen, sondern gezielt Unwillkommenheit und Hörerstress auszulösen.

Auch hier: Ein Extrapolationsfehler.

Ergibt sich eine gewisse "Unhörbarkeit" bzw. ein Verstoss gegen den allgemeinen Musikgeschmack aus einem künstlerischen Moment heraus, dann besteht der Fehler vieler Musik"avantgardisten" darin, aus der (leicht erzielbaren) Unhörbarkeit abzuleiten, man hätte allein damit bereits eine Form von Fortschritt oder Neuerung vorgenommen.

(Der Satz verdient eigentlich Fettdruck)

Es handelt sich also in diesen Fällen nicht um echte Avantgardisten, sondern um Avantgardisten-Darsteller.

Schlimmer noch, manche davon sind Musikreaktionäre, deren Anhänger - und das ist bezeichnend - kaum minder reaktionär gesinnt sind, und zwar ganz allgemein. Viele Anhänger bildungsbürgerlicher musikalischer Avantgarde geht es garnicht um Fortschritt oder gar Emanzipation, sondern um das genaue Gegenteil, was sich z.B. auch in einem impliziten Macht- und Dominanzanspruch zeigt, der sich am Liebsten z.B. in die Sonne einer vermeintlichen geschmacklichen oder musikalischen Überlegenheit stellt, ohne indes zu erkennen, dass das eigene Fleisch bereits in Fetzen faulig und leblos sich vom rot entzündeten Körper pellt.

(Diesen hässlich langen Satz, welcher das wilheminische Gelehrtendeutsch der Pseudolinken karikiert, den lass ich mir vielleicht patentieren ;-))

"Anti-Intellektualismus" von mir? Nö.

Ich wende mich nur gegen die Verwechslung intellektueller Spekulation mit Wissenschaft. Ich spotte über einen bestimmten Gestus von "Intellektualität", und zwar einen, dessen eigentlicher Inhalt das Ressentiment ist, aber nicht mehr das Streben nach Klarheit und Wahrheit.

Ich verabscheue Intellektuellen-Darstellerei, und die übelsten Täter hier, das sind die Intellektuellen selbst. Sie sollten dies nicht nötig haben.

Die bösen Folgen dieser Haltung sieht man nämlich hübsch (nein: hässlich) an ihren minderbegabten Nachahmern.

Und so gibt es unfassbar viele Autoren, die Satzungetüm auf Ungetüm schichten, und in ihrem Schwurbel nicht merken, dass praktisch jeder einzelne Satz unwahr bzw. idiotisch ist. Aber es klingt "intellektuell".

Wenn sich z.B. Heerscharen von linken und pseudolinken Gruppen und Autoren/innen sich in einer "intellektuell" gebenden, posierenden Sprache ergehen, dann ist das von Übel. Es ist anti-emanzipatorisch.

 
At 06 April, 2006 15:25, Anonymous Anonym said...

@ Dr. Dean
1. "Ich finde es - unter dem Aspekt von Wissenschaftlichkeit - schon mal sehr lustig, dass du Widersprüche und Defizite in der Musiktheorie von Adorno nicht erkennen kannst. Es könnte damit zu tun haben, dass du AMT kaum kennst. Und doch verteidigst du sie..."
Ich gebe gerne zu, dass ich von Adornos ästhetischer Theorie noch nicht allzu viel verstanden habe. Aber ich interessiere mich für ästhetische Theorie und finde daher auch Adorno spannend. Nun würde ich aber auch mal gerne konkret von dir benannt haben, welche Widersprüche du bei Adorno ausmachst.
Im übrigen hätte ich gedacht,genügend klargemacht zu haben, dass es mir nicht um Adorno als Kultobjekt geht. Mich interessiert ästhetische Theorie, dabei auch die These, dass das Kunstwerk, obwohl es bei ihm zunächst einmal auf die immanente Zweckmäßigkeit ankommt, trotzdem etwas über die Gesellschaft aussagt.
Ich verstehe nicht, warum du Adornos Aussagen ganz anders bewerten würdest, würde er sie nicht als wahre behaupten. Sicher gibt es die Mechanismen der Einschüchterung, die du beschreibst. Aber wenn einen eine bestimmte Frage interessiert, kann man doch einfach mal gucken, was der Adorno dazu schreibt. Dann kann man darüber nachdenken, ob es stimmt oder nicht, wenn nicht, ob es wenigstens anregend ist. Wenn es dem Anspruch, die Wahrheit zu sein, nicht entspricht, sagt man halt "nö". Die Unterscheidung "Anspruch auf Wahrheit" vs. "eingestandene Spekulation" finde ich zu formal. Und jemanden schon dafür zu kritisieren, dass er meint die Wahrheit gefunden zu haben - borniert gegen den Inhalt seiner Aussage -, finde ich meinerseits repressiv. Wenn jemand, der meint, die Wahrheit gefunden zu haben, keine Argumente dafür sagen will, oder wenn man seine Argumente falsch findet, kann man doch einfach antworten "Also ich kann das nicht einsehn", meinetwegen sogar "Du bist ja doof".
Soviel zu den inhaltsarmen Formalia einer vernünftigen, repressionsfreien Diskussion wie ich sie mir denke.
2. Um der Diskussion mal ein bisschen Fleisch zu geben, bringe ich ein Beispiel dafür, was ich mir unter emanzipatorischen Aspekten von Musik vorstelle: Beim späten Beethoven gibt es immer wieder Stellen (z. B. den Anfang des 4. Satzes seiner 9. Symphonie), an denen Ausschnitte vorangegangener Sätze zitiert werden, nur kurz angerissen. Da muss man nicht gleich an Revolution denken. Beethoven macht halt in seiner Musik deutlich, dass sich hier ein denkendes Subjekt betätigt. Es montiert die Musik - ob willkürlich oder nach Maßgabe einer Notwendigkeit und wenn dieses, nach welcher, wären die spannenden Fragen dabei. Es montiert die Musik, anstatt den Schein zu erzeugen, die Musik wäre ein Objekt, das nur so und nicht anders sein kann; das fremd den Subjekten gegenübertritt. Auf dem Feld der Musik wird Freiheit dargestellt oder über sie nachgedacht.
Das war jetzt bestimmt anfechtbar, aber nun fechte auch wirklich.

 
At 06 April, 2006 22:10, Blogger John Dean said...

Wie so oft im Leben machen kleine Unterschiede oft sehr viel aus. Versteht man AMT als einen zusätzlichen Weg zur Deutung und Interpretation von Musik, sowie zum Wesen von Musik und zur Komposition:

Dann wäre alles OK. Nunja, außer, dass man bestimmte Ansichten dann immer noch gut bestreiten kann.

Dass Problem der AMT und darüber hinaus der meisten Adorniten ist jedoch das Dogma, hierin den einzigen und wahren Weg zum Verständnis gefunden zu haben.

Im Übrigen: Ich sehe einfach nicht sehr vieles an der AMT, wo ich denke: "Toll. Aufschlussreich. Einzigartig. Neue Einsichten. Gültige Wahrheit."

Bitte sagt mir: Wo findet sich sowas bei AMT?

@Che
Du fragst: "Wieso Musik affirmativ sein und irgendwelchen Hörgewohnheiten entsprechen sollte, wie Du weiter oben einmal sinngemäß schriebst, erschließt sich mir hingegen nicht."

Musik ist meiner Meinung nach immer ein Spiel mit Hörgewohnheiten. Auch serielle Musik ist dies, denn ohne eine Gewöhnung, ohne ein Erlernen des hier sogar sehr speziellen Hörens taugt diese Musik wenig.

Zur Affirmation: Musik, und das ist doch wunderbar, ist eine hoch-emotionale Angelegenheit, gute Musik erst recht. Musik hingegen, die z.B. aus Mangel an Sinnlichkeit jedermann kalt lässt, die niemanden anspricht, weil sie nicht zu berühren vermag: Das wäre eine traurige Veranstaltung, oder?

Mir geht es im Übrigen darum zu sagen, dass Musik viel weiter geht, viel mehr Möglichkeiten hat, als sich aus AMT ergibt. Sogar Adorno wusste das, denn er hörte z.B. mit großer Freude Tangos, die sich nicht unbedingt dem ästhetischen Ideal der AMT fügten.

*hihi*

@nullanda
Ich habe - über die diveresen Kommentare und über zwei Blogbeiträge verteilt - ziemlich genau 6 fundamentale Kritikpunkte an der AMT genannt. Wenn du AMT nicht kennst, und insofern auch nicht beurteilen kannst, inwieweit diese 6 Punkte vielleicht eine Berechtigung haben, worüber unterhalten wir uns dann eigentlich?

Sag, was macht AMT so wertvoll für dich?

Einen Begriff von dir, nämlich "ästhetische Theorie", der fiel mir ins Auge. Für mich ist so etwas wie "ästhetische Theorie" eine contradictio in adjecto - jedenfalls dann, wenn wir den Begriff "Theorie" im wissenschaftlichen Sinn verstehen.

Das Beethoven "montiert" hat, das wundert mich nicht. Er ist da nicht der einzige und erste; Mozart und viele andere waren allesamt sehr begabte Monteure.

 
At 07 April, 2006 00:59, Anonymous Anonym said...

@ Dr. Dean
Zumindest einer deiner fundamentalen Einwände gegen AdornosMusikTheorie geht über den Bereich von Adornos Werk hinaus:

"Einen Begriff von dir, nämlich 'ästhetische Theorie', der fiel mir ins Auge. Für mich ist so etwas wie 'ästhetische Theorie' eine contradictio in adjecto - jedenfalls dann, wenn wir den Begriff 'Theorie' im wissenschaftlichen Sinn verstehen."

Das hatte ich mir ja bereits vorher gedacht und in mehreren Antworten angesprochen.

"Ich habe - über die diveresen Kommentare und über zwei Blogbeiträge verteilt - ziemlich genau 6 fundamentale Kritikpunkte an der AMT genannt. Wenn du AMT nicht kennst, und insofern auch nicht beurteilen kannst, inwieweit diese 6 Punkte vielleicht eine Berechtigung haben, worüber unterhalten wir uns dann eigentlich?"

Drolligerweise verwendest du nun den Autoritätspopanz Adorno gegen seine Verteidiger, um deinen janundoch oberflächlichen Angriff gegen deren Argumente abzudichten. Das finde ich gar nicht so schlecht: Du musst Adorno nicht so gut kennen und fragst seine Liebhaber, was er denn bitteschön zu bieten hat. Du hast dir wohl ausgerechnet, dass man seinen Adorno schon umfassend und souverän beherrschen muss, will man dir am Zeug flicken.
Was mir daran nicht gefällt, ist der Verdacht, dass es dir dabei eigentlich nicht um die Sache geht: nämlich die Frage, ob Adorno Quatsch geschrieben hat. Ich fürchte, du willst lediglich einen Streit auf formalem Wege gewinnen - ohne eigene größeren Aufwand im Inhaltlichen.
Ich habe keine Lust auf einen Streit, den es bloß zu gewinnen gilt. Gerade in der formalen Argumentationskunst wie sie z. B. in Diskussionsklubs gepflegt wird, steckt doch soviel menschenverachtende Repression. Diese Kunst ist Ausfluss der in dieser Gesellschaft abverlangten Konkurrenz, in der die Verfolgung des eigenen Interesses die Schädigung des Konkurrenten bedeutet. In dem sich selbst stromlinienförmig für diese Konkurrenz Zurichtenmüssen bleibt vom Subjekt wohl nicht viel mehr über als Schmerz.

 
At 07 April, 2006 02:04, Blogger John Dean said...

Tja, ich habe von nullanda gelernt, dass mitunter einzelne Wörter deutlich mehr bedeuten, als der Zusammenhang von Wörtern, über den man eigentlich reden wollte.

Es ist offenkundig sehr schwer, sich über Ideen zu unterhalten, wenn diese nicht in ein vorgefasstes Schema passen.

Man sagt: "Adornos Musiktheorie hat keinen Allgemeinanspruch" (5 Wörter) und erlebt: Dass sich einige Adorno-Anhänger angegriffen fühlen, weil schon das Wort "Adorno" (und natürlich das, was sie damit verbinden) unabhängig von meinem bescheidenen unwichtigen Ausgangssatz eine alles andere übertönende überragende Strahlwirkung haben kann. Somit gerät der 5-Wort-Satz zur ungewollten Fundamentalkritik am Groß-Wort "Adorno".

Faszinierend.

Man kann sogar ein halbes Dutzend recht gute fundamentale Einwände formulieren, und diese vermögen sich nicht am Wort-Ungetüm "Adorno" vorbeizuzwängen. Ich würde Wetten darauf abschließen, dass nullanda, dem ich für seine engagierte und doch höfliche Diskussion danke, sich nicht an diese sechs Fundamentaleinwände erinnern kann.

Wobei: In diesem Fall liegt es auch an meiner Diskussionsführung. Hätte ich diese sechs Fundamentaleinwände übersichtlich in einem Blogbeitrag dargestellt, wäre die Diskussion wohl anders gelaufen.

Und so bleibt am Ende nur Konfusion, und das allgemeine Gefühl, aneinander vorbei geredet zu haben.

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Ähnliche Probleme mit dem Verständnis eigentlich einfacher Sätze zeigt auch ein Dialog mit einem Blogger namens "seepferd". Kurzum, dieser geht von einer bestimmten Annahme aus - und auf dieser Basis nimmt er eine Reihe durchaus achtenswerter Überlegungen vor.

Nun frage ich ihn, ob sich für ihn irgend etwas ändern würde, wenn ihm gezeigt werden könnte, dass seine Ausgangsannahme falsch war, wewnn also das Gegenteil zutrifft.

Seine Antwort: Nein.

Es spielt für ihn gar keine Rolle mehr, ob sein Ausgangspunkt komplett verkehrt ist. Es interessiert ihn nicht einmal. Dabei machte "seepferd" zunächst nicht einmal einen dummen Eindruck, aber offenbar geben auch kluge Menschen ihre hart erarbeiteten Ansichten nur sehr ungern auf, besonders, wenn es eine Art gedankliches Heiligtum betrifft.

Seepferdchens Heiligtum war seine kunstvoll gedrechselte Argumentation, die er wohl mit Mühen erstellt hatte. Was spielt es dann auch für eine Rolle, dass sein Argumentationskunstwerk völlig sinnlos wird, wenn die ursprüngliche Voraussetzung dafür nicht mehr gegeben ist?

Anderes Beispiel: Ich plage mich gerade bei Wikipedia mit einem geradezu unterirdisch dämlichen Berarbeiter. Er begreift nichts, rein garnichts, was man ihm zu sagen versucht (z.B. auf seine Fragen). Wirklich nichts. Immer unglaublicher wird sein Standpunkt, den er formuliert (in Bezug auf die Lexikonrelevanz einer mehrheitlichen Meinung in der Wissenschaft), und so schreibt er:

"Es ist mir aber erst mal egal, was Mehrheitsmeinung ist. Ich lösche Inhalte, die verkehrt sind, ungeachtet dessen, ob sie politisch korrekt sind."

Er ist politisch inkorrekt. Da haben wir es. Das Patent für den Vorrang idiotischer Auffassungen? Oweh!

 
At 07 April, 2006 03:43, Anonymous Anonym said...

@ Dr. Dean
Ich war ja noch nicht fertig, musste aber erstmal smackdown gucken. In meinem letzten Beitrag habe ich mich ja erstmal - selber formal - damit auseinandergesetzt, Wie du diskutierst.
Aber: " Zumindest einer deiner fundamentalen Einwände gegen AdornosMusikTheorie geht über den Bereich von Adornos Werk hinaus:

"Einen Begriff von dir, nämlich 'ästhetische Theorie', der fiel mir ins Auge. Für mich ist so etwas wie 'ästhetische Theorie' eine contradictio in adjecto - jedenfalls dann, wenn wir den Begriff 'Theorie' im wissenschaftlichen Sinn verstehen." "

Anders rum wird nämlich ein Schuh daraus. Deine Absicht war zu zeigen, dass Adornos Theorie in Gänze in die Tonne gehört. Meine Antwort darauf ist schlicht, dass AMT interessant ist, weil sie ein Beitrag zur wissenschaftlichen Theorie des Kunst-Schönen ist. Wenn du die Voraussetzung nicht teilst, dass es so eine Theorie gibt oder überhaupt geben kann, dann ist es schon von daher konsequent AMT abzulehnen. Bliebe dann nur die Frage, warum du dir gerade Adorno aussuchst und nicht Aristoteles, Kant und wie sie alle heißen.
Mein Beispiel mit Beethovens 9. war der Versuch zu zeigen, dass man sich schon mal Gedanken darüber machen kann, ob Kunstmusik bloß subjektiv danach gestrickt wird, dass sie sich nett anhört oder ob es nicht eine gewisse Zwangsläufigkeit gibt. Gibt es einen Grund dafür, dass Beethoven qua bewusster Montage Freiheit darstellt?
Wenn es Notwendigkeit in Kunstwerken gibt, kann man darüber auch wissenschaftlich reden. Wenn es eine wissenschaftliche ästhetische Theorie gibt, muss man sich gründlicher als du es tatst den Adorno vornehmen, denn er wollte zu dieser Theorie was beitragen.
Quod erat usw.
Was bleibt also vom Adorno? Auf jeden Fall "Der getreue Korrepetitor", wo er im Detail zeigt wie ästhetische Notwendigkeit aussieht. Lies es mal. (Die Partituren sollte man sich neben den Text legen, dann wird er sehr instruktiv.)

 

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