30 August 2006

Radikaler Kapitalismus als Religion

Ich weise hier auf ein Essay von Wolfgang Palaver in Cicero hin, das sich mit den religiösen Strukturen in der Ideologie des Kapitalismus beschäftigt. Meiner Meinung nach, argumentiert Herr Palaver begrifflich nicht genau genug, und "palavert" zuviel, dennoch bietet sein Essay eine Reihe von Anregungen.

Vom Übel eines radikalisierten Kapitalismus und seiner kindischen Irrlehre

Der Glaube, ein radikalisierter Kapitalismus könne gleichermaßen Erlösung wie Ziel allen gesellschaftlichen Strebens repräsentieren, und auch der Kinderglaube daran, dass "der" Markt in jedem Fall die richtigen Antworten kenne, hat eine quasireligiöse Komponente. Diese kann bei Adam Smith sogar präzis benannt werden.

Tatsächlich aber funktionieren Märkte nur unter bestimmten Bedingungen gut, und die Anstrengung radikaler Kapitalismusjünger, Fehlfunktionen und Mängel kleinzureden oder zu verleugnen, gerade auch im wirtschaftswissenschaftlichen Lager, macht deutlich, dass man es bei diesem radikalisierten Glaubenssystem mit einem religionsähnlichen Konstrukt zu tun hat, inklusive theologischer Abwehrmechanismen und beharrlicher Wirklichkeitsverleugnung.

Auf gesamtgesellschaftliche Ebene angewendet ignoriert der totale Marktglaube nicht nur die häufig auftretenden Funktionsmängel, welche mangels besserer Alternativen ggf. zu erdulden sind, sondern auch, welchen starken Einfluss die ungleichen Startchancen und ungleichen Vermögensverhältnisse in einer marktwirtschaftlich dominierten Ordnung ausüben.

Z.B. verfestigen (!) derartige Ungleichheiten gesellschaftliche Privilegien.

Die Gesellschaft als Ganze wird damit, erst recht im weltweiten Maßstab, auch als Resultat des radikalkapitalistischen Kinderglaubens in vielen Bereichen unerträglich ungerecht, und dies zu allen Überfluss auch noch (meist) in einem zunehmenden Ausmaß. Dazu kommt: Eine grobe Ungleichverteilung, betrachtet man dies als starken, gerechte Märkte deformierenden Einflussfaktor, führt zu gröbsten Fehlallokationen (!) des Marktprozesses selbst, was sich der geneigte Leser z.B. anhand des eigentlich idiotischen Marktes für Luxusjachten verdeutlichen kann.

Der Kinderglaube an die "unsichtbare Hand" ist somit falsifiziert, und die Kapitalismuskritik von Marx an durchaus bedeutenden Punkten bestätigt. Marx hatte sich zwar in vielerlei Hinsicht geirrt, aber sein Blick auf ökonomische Entwicklungen unter dem Aspekt von Macht- und Verteilungskämpfen und Ausbeutung hat auch heute Aktualität.

Denn während wir uns als Gesellschaft heute teils in einem Prozess der Refeudalisierung und sogar allgemeinen faktischen Entdemokratisierung befinden, mit Großunternehmen und Familienclans an der Spitze dieses Prozesses, lässt sich erkennen, dass eben die Mächtigen und Wohlhabenden sich erfolgreich darum bemühen, ihre Vormachtstellung ökonomisch und politisch abzusichern, und zwar frei von jeglicher Bedrohung durch Leistungswettbewerb.

Dies zeigt sich ökonomisch z.B. an den immer stärker werdenden Versuchen, sich leistungslose Einkommen zu sichern (z.B. via Patent- und Urheberrecht), aber auch im fortschreitenden Privatisierungswahn (beispielsweise verschenkte (!) der Berliner Senat große und viele hundert Million Euro wertvolle Grundstücke an Großfirmen wie Karstadt) , oder auf politische Weise darin, dass private Machteliten mittels der systematischen Beeinflussung der Öffentlichkeit (z.B. über Propagandafabriken) die Vormachtstellung ihrer Wohlstandsbasis (hier: Krieg und Rüstung) absichern.

Wir erleben zur Zeit eine "privatwirtschaftliche" Durchdringung des Staats- und Gesellschaftsgebildes, welche oft eben nicht Ausdruck irgendwelcher positiver Marktleistungen ist, sondern im Gegenteil, auf die Aushebelung von Markt- und demokratischen Kontrollmechnanismen abzielt, auf exklusive wie sichere Gewinne gesellschaftlicher Eliten auf Kosten der übrigen Bevölkerung.

Parallel dazu laufend wird nebenbei (wie m.E. unbeabsichtigt) über die Einschränkung gesellschaftlicher Chancengleichheit eine immer stärkere Trennung der Gesellschaft in Klassen verursacht, bis hin zur Ausbildung eines Prekariats, was für den übrigen abhängigen Teil der Gesellschaft in Verbindung mit Abstiegsängsten eine disziplinierende bzw. einschüchternde Funktion hat.

Ebendiese auf Machtmaximierung und leistungslose Einkommensgarantierung zielenden Mechanismen einer marktwirtschaftlich dominierten Gesellschaft sind, anders als es "liberale" Theoretiker wie Hayek vorgegeben haben, nicht etwa höchst seltene und überdies unbeachtliche Entartungserscheinungen des Marktprozesses, sondern ein unmittelbarer und bedeutender Teil des damit fragilen Marktprozesses.

Grundlegender formuliert: Lassen sich in Märkten Machtungleichgewichte für Einkommenszwecke mobilisieren, so wird genau dies geschehen, sofern es hier (z.B. über einen starken und Missbrauch verhindernden Staat) keine ausreichenden Gegenkräfte gibt. Es ist ein unbewiesener und oft schon widerlegter Kinderglaube, dass marktmäßige Vermachtungen, z.B. Monopole oder machtungleiche Vertragsbeziehungen, im Rahmen von Marktprozessen automatisch korrigiert werden.

Im Gegenteil!

Wenn ein ehemaliger Marktteilnehmer eine exklusive Machtposition (z.B. ein Regionalmonopol im deutschen Energiemarkt) errungen hat, so hat er i.d.R. damit zugleich die besten Voraussetzungen, um sein Monopol abzusichern und sogar auszubauen. Gleiches gilt für ungerechte und ungerechfertigte Vermögensverteilungen: Auch hier gibt es, anders als es unreflektierte Kapitalismusanbeter meinen, eher eine Akkumulationsdynamik, also eine Tendenz zur Ausweitung der Vermachtung und Ungerechtigkeit, denn eine Tendenz zur leistungsgerechten Vergütung der eigentlichen Leistungserbringer.

Dem ungeregelten Marktprozess ist sogar auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Gefahr nahe, sich selbst, seinen Kern, den Leistungswettbewerb, zu beseitigen!

Denn es gibt am Markt fast kein stärkeren Anreiz für einen Marktteilnehmer, als die Absicherung einer unangreifbaren, gewinnträchtigen und dauerhaften Dominanz, als eben die erfolgreiche Vermachtung. Mechanismen wie Schädigungswettbewerb, Lobbyismus zur politischen Erringung ungerechtfertigter Vorteile oder die Elemination konkurrierender Marktteilnehmer auf dem Wege z.B. von Unternehmenszusammenschlüssen sind zwar nicht zwangsläufig, aber ein durchaus (jedenfalls für unzureichend geregelte Märkte) natürlicher, und i.d.R. sehr schädlicher Teil des Marktprozesses.

Die "unsichtbare Hand" wird, wenn man sie lässt, schnell zu einer Vormacht, Vermögen und Vorteile raffenden Hand, welche dabei trickreich agiert und nicht nur zu Lasten der Gerechtigkeit verfährt, sondern auch zu Lasten der allgemeinen Wohlfahrt, ja sogar zu Lasten des Wettbewerbsprozesses an sich - bis hin zur Refeudalisierung und Entdemokratisierung der Gesellschaft.

Wichtige Voraussetzung für diese deformierende Wirkung des Marktprozesses ist ein entscheidendes Macht- und Vermögensgefälle von Marktteilnehmer bzw. der Gesellschaftsbürger, welches dann mit vorhersagbarer Präzision zu Lasten der Schwächeren und der Allgemeinheit ausgespielt wird.

Das Ergebnis hiervon ist übrigens u.a. Unfreiheit.

Das m.E. größte Hindernis, wenn es darum geht, Missbrauch und Fehlentwicklungen unserer Wirtschaftsordnung zu bekämpfen, ist der sich zur Zeit (besonders bei unseren Eliten) immer weiter ausbreitende quasireligiöse Glaube an einen möglichst radikalen Kapitalismus bzw. dessen wunderwirksame "unsichtbare Hand", bei gleichzeitiger Blindheit gegenüber gesellschaftlicher und ökonomischer Wirklichkeit. Hier wird eine fast schon an Heilserwartungen reichende Harmonie aus dem Marktprozess heraus postuliert, und damit jegliche Kritik an Unzulänglichkeiten abgewehrt.

29 August 2006

Die USA als Heimat des Militärkollektivismus

Es ist unter einigen Journalisten, Publizisten und Bloggern populär geworden, die USA als "das Land der Freiheit" zu preisen, als Idealbild. Dahinter verbirgt sich hierzulande jedoch oftmals eine konservativ-reaktionäre Einstellung, die im Wesentlichen nur Wirtschaftsfreiheiten schätzt, und zwar verstanden als ungehinderte Freiheit der Wohlhabenden und Unternehmen. Die übrigen Freiheiten werden (z.B. vom Tagesspiegel-Militaristen Wergin) als vernachlässsige "Freiheiten der persönlichen Lebensführung" herabgestuft, hinderlich z.B. im "Krieg gegen den Terror"...

Mir persönlich ist es zuwider, wenn scharfe Gegensätze, z.B. zwischen Europa und den USA, behauptet werden, wo kaum welche sind, wenn ein einzelnes Land als Maßstab in allen Dingen gezeichnet wird. Aber gut, nehmen wir einmal an, die USA seien in allen Freiheitsdingen weltweit führend, und der Maßstab in Sachen Freiheit überhaupt.

Dazu habe ich eine Frage:

Bitteschön, was für ein Freiheitsbegriff steckt hinter dem augenfälligen amerikanischen Militärkollektivismus?

Der immense Umfang von Rüstungs- und Geheimdienstlasten (rund 5% des BIP!), die wechselseiteige Durchdringung von Lobbyisten, als "think tanks" getarnte militaristische Propagandafabriken, Presseorganen, außenpolitischer Expertise, Rüstungsindustrie und amerikanischen Regierungsstellen:

Hier handelt es sich um einen eindeutigen und widerwärtigen Fall von Militärkollektivismus, und zwar in einer gefährlichen, mörderischen und die Freiheit bedrohenden Form. Das ist kein positives Vorbild.

Militaristische Neoconnards wie Jeffrey Gedmin (dieser hält Waffenruhe für eine "Katastrophe") aus dem Aspen-Institut, welche diese spezielle Art von "Kultur" nach Europa zu importieren trachten, halte ich ebenfalls für eine Gefahr. Eine Gefahr für die Freiheit, sicher stärker als jegliche Bedrohung durch Terrorismus, die wir hierzulande haben.

Gedmin go home!

Eine aussagefähige Liste europäischer Rüstungslobbyisten und potentieller Verfassungsfeinde, die sich eng am amerikanischen Militärkollektivismus orientieren, findet man zum Beispiel hier.

Wehret den Anfängen!

P.S.
Ich wusste bislang nicht, dass die Einwohnerzahl in New Orleans von ehemals rund 485.000 auf nunmehr 160.000 bis 235.000 herabgesunken ist. Lesenswert hierzu auch eine aktuelle Story in der ZEIT. Noch lesenswerter die Mythenentzauberung von Craig Morris in der Telepolis!

So, wie das aussieht, sind die USA Spitzenklasse, wenn es um Militärausgaben und internationale Interventionen geht, aber die USA stehen auf recht jämmerlichen Niveau, sehr weit unterhalb Europas, wenn es darum geht, die eigene, hilfsbedürftige Bevölkerung zu unterstützen.

Das Bündnis "Aktion Deutschland hilft" bittet vor diesem Hintergrund aktuell um Spenden für den Wiederaufbau von New Orleans.

28 August 2006

Freude als verkannte Ressource im Arbeitsleben

Ich finde, dass das Thema "Freude" von enormer und zudem völlig unterschätzter Bedeutung ist. Einseitig wird in der heutigen Zeit vorausgesetzt, dass Menschen im Arbeitsleben bzw. in den Firmen vor allem zu buckeln und sich unterzuordnen hätten, oder im Rahmen einer eigentümlichen "Selbstverantwortungs"ideologie die gegebene Situation freudlos hinzunehmen hätten, um sich damit den Interessen von Unternehmen beinahe total unterzuordnen.

Man könnte hier fast von einem Reüssieren des wilhelminischen Untertanen sprechen, nur diesmal nicht dem Kaiser oder der Kirche, sondern der Wirtschaft zugewidmet. Ist das nun besser? Ist diese moderne Untertanenhörigkeit liberal?

In unserer Zeit nehmen die Belastungs- und Stresserkrankungen im Arbeitsleben zu, die Menschen werden in ihren Tätigkeiten (meßbar!) immer unglücklicher und unzufriedener, der Arbeitsdruck hat teils schon extreme Formen erreicht. Der durchschnittliche Arbeitnehmer indes fügt sich in sein Schicksal, zumeist infolge mangelnder Alternativen

Auch könnte man finden, dass das mittlere und obere Management oftmals typische und vor allem üble Anzeichen von Überlastung aufweist, was sich zum Beispiel in der mitunter geringen Entscheidungs- und Führungsqualität sowie einem übertriebenen Mangel an Kreativität und Wagemut bei unternehmerischen Entscheidungen deutlich macht. Vergessen wird allzu oft:

Wenn Menschen mit Freude arbeiten, kommt Besseres dabei heraus.

Es kann meiner Meinung nach garnicht genug herausgestellt werden, von welchem hohen Wert Freude ist. Ich bin stark davon überzeugt, dass sich jene Menschen und Firmen besser und erfolgreicher entwickeln, die dem Faktor Freude ausreichenden Raum geben. Das mag zwar im Widerspruch zu neo"liberaler" Untertanenphilosophie stehen, aber es ist, wie ich vielfach in meinem Leben erlebt habe: einfach und wahr.

23 August 2006

Weisheiten meiner Schwester und meiner Nichte

  1. Die Bescheuerten in der Welt sind deshalb bescheuert, damit man sie in Ruhe lässt, und nicht deshalb, damit man sich mit ihnen streitet.

  2. Jeder Mensch hat eine oder mehrere Macken. Ausnahmslos.

  3. Von Nahem betrachtet ist der sogenannte Durchschnittsmensch ein Individuum.

22 August 2006

Angela Merkel und die Schimpansenkriege

Angriff! Die BZ-Berlin (Onlineausgabe) von heute bzw. der zuständige Praktikant der BZ-Onlineredaktion sprechen Zusammenhänge offen an, die viele bisher viele bereits erahnten...

Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit

Der neue Programm-Slogan der CDU lautet: "Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit". Der Slogan ist lachhaft und widersprüchlich.

Die CDU definiert "Freiheit" als Ausdruck der Interessen der Saturierten, der Wohlhabenden und der Wirtschaft.

Diese Ausrichtung soll also eine "neue" Gerechtigkeit schaffen? Sowas kann nur behaupten, wem die gute alte Gerechtigkeit, die mehr als nur Wirtschaftsinteressen kannte, entschieden zu fad ist. Wer so denkt, für den gäbe es eine Reihe weiterer Slogans:

- "Schluss mit lustig! Fort mit der alten Gerechtigkeit!"
- "Nur Wirtschaftsinteressen sind unser Leitbild! CDU."
- "Bürger! Kriecht zu Staube! Euer Sozialstaat muss endlich weg."
- "Übermacht von Wohlhabenden und Mächtigen ist gerecht!"

Wenn die Spitzen der CDU glauben, sie könnten mit ihrem verdrehten Freiheitsbegriff Wahlen gewinnen, so werden sie sich noch sehr wundern, vor allem über den fehlenden Zuspruch seitens der Bürger.

21 August 2006

Keine Macht für Niemand - anlässlich des 10. Todestags von Rio Reiser

Am 20. August 1995 starb Rio Reiser als 46-Jähriger Musiker. Und heute Abend habe ich zum ersten Mal den Scherben-Song "Keine Macht für Niemand" gehört, - im Radio! Nunja, seine Parolensongs haben mich nie wirklich interessiert, aber Reisers Liebessongs finde ich toll, nein, großartig, und großartig auch seine unmittelbare Art des Singens. Er hat unsere Kultur bereichert.

Der Laberkopp Beck - Analyse eines Beck-Textes

Bei Apollon findet sich ein sehr dankenswerter Hinweis auf einen politischen Grundlagenartikel des aktuellen SPD-Parteivorsitzenden Beck. Ich finde es zwar gut, dass die gesellschaftliche Realität in den Führungsspitzen der Parteien zunehmend erkannt wird, aber umso bedenklicher ist es, dass die "Generation Christiansen" sich nicht einmal ansatzweise um adäquate Antworten bemüht.

20 August 2006

Wofür steht Günter Grass politisch?

Nach einer Woche wilden Geheules und Gebells, bei dem sich "Liberale" brüllend bemüht haben, den Autoren Günter Grass so weit wie nur möglich verächtlich zu machen, haben wir von diesen "Liberalen" lernen dürfen, dass Grass in geistiger Nachfolge zu den Nationalsozialisten stehe (z.B. der Wirrkopf Broder) oder dass er "anti-liberal" sei (z.B. die "prowestlichen" Extremisten C. Wergin oder S-Tatler).

Wer lieber aus erster Hand nachlesen möchte, wofür Günter Grass steht, welche politischen Vorstellungen er tatsächlich hat, der kann hier nachlesen, und auch hier, oder hier 3 Minuten lang zuhören (Grass ist auch hier, hier, hier, hier und hier zu hören). Für die, die Grass lieber nicht lesen oder hören möchten, - bitteschön:

Politische Programmatik von Günter Grass

- Bindung der deutschen Politik ans Grundgesetz
- Menschenwürde als Ziel und Kern des Staates
- Für Neugierde, Engagement, Authentizität und Wahrheitliebe
- Für Medienvielfalt und Meinungsfreiheit
- Für Aufklärung und Humanismus
- Gegen die Verängstigung der Bürger, z.B. durch "Antiterror"- Hysterie & Islamphobie
- Für Einwanderung, u.a. auch zur Sicherung der Renten
- Gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen bzw. "prä-emptiven" Kriegen
- Für Frieden und Völkerverständigung
- Gegen ausländerfeindliche Demagogie und für Interkulturalismus
- Für soziale Gerechtigkeit, daher u.a. gegen Steuersenkungen für Wohlhabende
- Für staatliche Bildungspolitik und Ganztagsschulen
- Für eine familienfreundliche Politik und das Bürgergeld
- Für Kündigungsgschutz und andere soziale Rechte
- Für die Förderung regenerativer Energien an Stelle von Atomenergie
- Für die Trennung von Staat und Kirche
- Gegen das unverantwortliche Schlechtreden des Wirtschaftsstandorts Deutschland
- Für die Zivilisierung des Kapitalismus
- Für einen nachhaltigen marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerb an Stelle enthemmter oder gar zerstörerischer Ausbeutungsverhältnisse
- Für Verbraucherschutz, wie beispielhaft durch Künast vorangetrieben
- Gegen Landwirtschaftssubventionen und andere Wirtschaftssubventionen
- Für das Primat demokratischer Politik vor reinen Wirtschaftsinteressen
- Für einen linken Ordoliberalismus im Interesse der breiten Bevölkerung
- Für eine gerechtere Weltwirtschaft, Freihandel und Armutsbekämpfung
- Gegen sozial unverantwortlichen Manchesterliberalismus
- Gegen den übertrieben Einfluss von Wirtschaftslobbyisten und Partikularinteressen
- Für eine besonnene und lernfähige Politik, idealerweise unter Rot-Grün

"Wer den Kapitalismus vor dem Kollaps bewahren will, muss ihn wiederum zivilisieren, das heißt, ihn zur gesellschaftlichen Verantwortung im Sinn einer Sozialen Marktwirtschaft zwingen." (Günter Grass 2005)
Wir leben Zeit der politischen Verdrehungen, wo derartige Vorstellungen allen Ernstes "anti-liberal" genannt werden, und zwar von selbsternannten bzw. sogenannten Hexenjägern "Liberalen", wie z.B. diesem üblen Extremisten hier.
"Was sich zur Zeit „Neue Linke“ nennt, krankt immer noch an den Folgen des kommunistischen Staatskapitalismus und hat nur Forderungen, keine Lösungen zu bieten." (Günter Grass 2005)
Günter Grass ist klassisch linksliberal. Noch Fragen?

17 August 2006

Hamburger Verfassungsrichter und die organisierte Kriminalität

In was für Zeiten leben wir? Ist es bereits normal, dass (ehrenamtliche) ehrenwerte Verfassungsrichter wie Michael Nesselhauf (SPD-Mitglied) höchst eifrig die organisierte Kriminalität verteidigen, und zwar in Gestalt der Osmani-Brüder?

Ja.

Man muss leider davon ausgehen, dass Hamburger Verfassungsrichter nicht nur die Verfassung brechen, indem sie die die Bürger in dubiosen Entscheidungen über die Volksgesetzgebung ihrer Souveränität berauben, nein, ein Hamburger Verfassungsrichter kennt sogar das UCK-Lied.

Wie ist es möglich, dass sich in Hamburg eine etablierte Szene aus Projektentwicklern, Anwälten, dubiosen Kiezgrößen und Parlamentariern gebildet hat, die jetzt zusammen mit (ehrenamtlichen) Verfassungsrichtern alles dafür tut, dass dieses bunte Treiben zu Lasten der Bürger unbekannt bleibt? Wenn sogar Staranwälte wie wie Gerhard Strate sich dafür hergeben:

Was geschieht mit unserem Staat? Ist das bereits die Ausbildung von Mafiastrukturen innerhalb unserer Eliten? Man lese ergänzend auch dies und dies, sowie die Darstellung bei Buskeismus und die sorgfältig zusammen getragene Linksammlung im Parteibuch.

P.S. Sehr interessant sind übrigens auch die Immobilien-, Beratungs- und Baugeschäfte im Umfeld von Herrn Wankum. Und als kleiner Recherchetipp: Wer immer in der Hamburger Politikszene umtriebig ist und sich z.B. "Projektentwickler" nennt und sich im Umfeld von Personen aus dem berüchtigten "Corner 57" bewegt, verdient Beachtung.

12 August 2006

Libanonkrieg vorbei

Nachdem ich hier recht gründlich daneben lag, u.a. in Überschätzung der Geschwindigkeit diplomatischer Bemühungen, ergibt sich nun aus einem Bericht der Sueddeutschen, dass der Libanonkrieg bald, vielleicht schon ab Montag vorbei sein wird. Endlich.
"Der israelische Ministerpräsident ist nach Angaben aus Regierungskreisen mit dem neuen UN-Resolutionsentwurf einverstanden. Er werde seiner Regierung empfehlen, der Entschließung für einen Waffenstillstand zuzustimmen."
Die Situation im Nahen Osten ist damit nicht viel einfacher geworden. Jedoch: Eine Fortsetzung des Krieges hätte dem Terrorismus auf lange Sicht nur noch mehr Zulauf verschafft. Wenn alles gut läuft (hier darf man skeptisch sein), ist die Präsenz einer robusten UN-Truppe sogar eine neue Chance für den Nahen Osten.

P.S.
Peter Bürger erläutert hervorragend, warum pro-militaristische (="prowestliche") Messianics, Endzeitchristen und Evangelikale jede kriegerische Eskalation im Nahen Osten herbeisehnen:

Krieg ist die zentrale Heilsvision dieser Christen.

09 August 2006

Nette Blogger (Beweisfoto)

Okay, liebe Leser und Leserinnen: Jetzt brauche ich eine passende Bildunterschrift - also, ran an die Tasten und Vorschläge reintippen! (bitte)

06 August 2006

Die sogenannte Gesundheitsreform...

Ich bleibe dabei: Frau Merkel ist mit der recht großen Gestaltungsmacht ihres Kanzleramtes im Moment überfordert, sie zaudert und agiert im Halbdunkel, während sie die Bürger im Unklaren darüber lässt, welche Art von Politik sie überhaupt anstrebt.

Wenn sie sich von zweitklassigen Beratern in Sachen Podcasts beraten lässt, ist dies - in meinen Augen - ein Anzeichen für ihre Verunsicherung, aber noch eindeutiger dürfte der Ablauf der aktuellen Gesundheits"reform" sein, den Peer Steinbrück hier transparent macht:
„Es kann nicht sein“, sagte der SPD-Politiker, „dass wir zwischen den Ministerien einen Kompromiss erarbeiten und im Kabinett beschließen, der dann durch einen zweiten Kompromiss unter den Fraktionen ersetzt wird, und dieser wiederum durch einen dritten Kompromiss bei der Abstimmung mit den Ländern.“
Huch?! Und jeweils teils diametral entgegen gesetzte Reformen. Der Verein für Socialpolitik lehnt die Reform aus guten Gründen ab. Der reaktionär gesinnte SPD-ler Kahrs äußerte in der CDU/FDP-Plattform der SPD (= Seeheimer Kreis) dazu:
Kanzlerin verängstigt.
Foto: Dean
Ich glaube, sie kann es einfach nicht", zog Kahrs über Kanzlerin Angela Merkel her, "die kippt um", sobald ein paar CDU-Ministerpräsidenten "dicke Backen machen". "Die hat ihren Laden nicht im Griff".
Gesundheitsexperte Lauterbach meinte auf einer Fachtagung zur Gesundheitspolitik anfang Juli, dass die "Reform nicht stattgefunden" habe bzw.:
Die Koalition ist an der Aufgabe «gescheitert», das Gesundheitssystem auf eine nachhaltige Finanzgrundlage zu stellen. «Das Problem waren steigende Beitragssätze. Was wir jetzt ankündigen, sind steigende Beitragssätze», kritisierte Lauterbach in Berlin. (...) Er sagt, dass die von der Koalition angepeilte Beitragssatzsteigerung von 0,5 Prozentpunkten im kommenden Jahr nicht ausreicht. (...) Den neuen Gesundheitsfonds kritisierte Lauterbach als «Scheininnovation».
In der Wirtschaftswoche-Konferenz erklärt Lauterbach, warum das so ist:
„Die gleiche Beitragsbasis wird über den Fonds schlechter und komplizierter abgewickelt.“
Anders, als es die Regierungspropaganda behauptet, wird der staatliche Steuerzuschuss sogar gesenkt:
Beschlossen wurde zwar ein Steuerzuschuss von 1,5 und 3,0 Milliarden Euro für die Jahre 2008 und 2009, für die es aber weder höhere Steuern noch neue Schulden geben soll. Im laufenden Jahr erhalten die gesetzlichen Krankenkassen noch 4,2 Milliarden Euro aus der Staatskasse.
Der Wiesbadener Kurier weist auf Effizienzreserven hin, sowie auf Lobbyisten in diesem Spiel, wie die "Admed Unternehmensberatung" oder "Siemens Financial Systems", die
schon einmal die Messer wetzen, z.B. für teure Beratungsleistungen, mit denen sie ihre Privatisierungsamigos in Stellung bringen.

Derweil geht die Rosinenpickerei privater Krankenversicherungen munter weiter. Henning Baethge erklärt in Capital vorzüglich, warum dies geändert werden sollte.

Verzichtete man auf die über private Kassen erfolgende Privilegierung von Gutverdienern, könnte man die allgemeinen Versicherungsbeiträge (der übrigen Bürger) nach Berechnungen von Dr. Dean um stattliche 8 Prozent senken. Zirka weitere 10 Prozent brächte es, wenn man das Beitragsbemessungs-Privileg schlicht abschaffen würde.

Außerdem könnte man der Pharmaindustrie an den Kragen gehen. Es ist kaum einzusehen, warum in Deutschland die höchsten Medikamentenpreise gezahlt werden. Über eine permissive Positivliste würde man nochmal mindestens 3 Prozent sparen. Außerdem ließe sich für mehr Wettbewerb sorgen - diesmal zugunsten der Bürger und Konsumenten.

Da geht was.

05 August 2006

Wahlbetrug in Mexiko: EU-Wahlbeobachter blamierten sich

Wie ich hier vorausgesagt hatte, lehnte das mexikanische Bundeswahlgericht die von der deutlichen Mehrheit der Mexikaner geforderte Neuauszählung aller Stimmen ab.

Dennoch hat der Richterspruch salomonische Qualitäten, denn für einen beachtlichen Teil, bei knapp 9 % der Wahlurnen, wird eine Neuauszählung vorgenommen! Je nach Ergebnis dieser Neuauszählung kommt es dann zu einer vollständigen Neuauszählung, falls sich die Indizien für einen Wahlbetrug weiter bestätigen.

Mit dem heutigen Richterspruch steigen die Chancen, dass der gemäßigt linksgerichtete Obrador Mexiko ab September regieren wird.

Das heutige Richterurteil ist eine schallende Ohrfeige für die 70 Wahlbeobachter der EU-Bürokratie, welche die zahlreichen Unregelmäßigkeiten der Wahl frech weggeleugnet haben.

"Wahlbeobachter der Europäischen Union haben bei der Abstimmung vom 2. Juli keine Unregelmässigkeiten festgestellt", meinte EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner und lobte die umstrittenen mexikanischen Wahlbehörden u.a. für deren "Professionalität".

Nochmal: Das mexikanische Wahlprüfungsgericht geht in knapp 9% der Wahlurnen von nachweislichen Unregelmäßigkeiten aus - hingegen hielten die EU-Wahlprüfer diese Wahl für "jederzeit glaubwürdig"!

Jose Ignacio Salafranca, der Vorsitzender der EU-Wahlprüfungskommission und die Komissarin Benita Ferrero-Waldner haben sich gründlich blamiert.

Derartige Wahlbeobachter taugen nichts.

Freundinblogs tot

Die Freundin-Blogs sind tot.

Eigentlich schade, denn ich hätte gerne beobachtet, wie sie sich entwickeln oder allmählich verbessern (was eine umfangreiche Aufgabe gewesen wäre). Ich glaube, dass einige Autoren und Autorinnen dafür echtes Herzblut hergaben, und sich im Laufe der Zeit gemausert hätten.

Mehr Häme? Nö! Grundsätzlich begrüße ich es, wenn Zeitschriften interaktiver werden und zugleich ihren SchreibSklaven Journalisten mehr Möglichkeiten zur Publikation subjektiver Standpunkte einräumen. Fernab von Kommerzdreck.

Die übrigen Burda-Blogs leben noch sind hingegen lebendige Untote, sofern man von "lebendig" sprechen kann, da diese Blogs trotz aller Bemühung von den Lesern ignoriert werden - bis hin zur totalen Kommentarfreiheit. Es gibt bei Burda also noch Sabine und Sylvia von Elle, Marathon, die Stilspionin, Viola und Jochen von Cinema, sowie Kai Rehländer und Hartmut von TV Spielfilm. Mehrheitlich sind das üble Flops, die von Burda z.B. mit folgenden Worten angekündigt wurden:
"Im Mittelpunkt des Relaunchs stehen der Ausbau der Kernkompetenz (...) ein absolutes Novum auf dem deutschen Web-Markt und damit ein Alleinstellungsmerkmal (...) eine Community mit interaktiven Kommunikationstools. Der neue Online-Auftritt, der mit seiner Bandbreite an multimedialen Tools - von Podcast bis Blog - die modeaffine Media Community noch enger zusammenführt, rückt damit wieder stärker in den Fokus der Mediaplanung."
Weitere Informationen mit Schwafelrharbarber-Garantie:

Katrin Hrubesch - Pressereferentin
Hubert Burda Media
Arabellastraße 23
81925 München
Fon: +49 / 89 / 9250-2782
Fax: +49 / 89 / 9250-1895
presse@burda.com

Neoliberale Denkverbote (1) - Ursachen von Kinderlosigkeit

Typisch für stark ausgeprägte Ideologien sind Denkverbote, welche gewährleisten, dass jene Fragestellungen nicht berücksichtigt werden, welche die Grundannahmen der Ideologie erschüttern könnten.

Von neoliberalen "Denk"zentren wie INSM, Bertelsmannstiftung und priesterlichen Ökonomieprofessoren gibt es zwar jede Menge Erörterungen über die Ursachen von Kinderlosigkeit, aber wichtige Fragestellungen werden ausgeblendet.

So gibt es Zusammenhänge zwischen einer prekären Lebenssituation (angeblich sei diese motivierend und überhaupt gut für die Ökonomie) und Familienplanung. Wie Rudolf Stumberger in der Telepolis zeigt, sinkt z.B. die Geburtenrate von Journalisten, sogar recht drastisch, wenn die Sicherung des Lebensunterhaltes in diesem Berufsbild schwieriger wird. Wie heutzutage.

Im Berufsleben habe ich oft beobachtet, dass Kinder bei Kollegen dann zur Welt kommen, nachdem diese auf der Karriereleiter die Sprossen erklommen haben oder einen lukrativen, gut bezahlten Arbeitsvertrag mit Zukunftsaussichten ergattern konnten. Vielleicht war das Zufall, aber ich bin geneigt, hier einen Zusammenhang zu sehen.

Meine Hypothese lautet: Der Kinderwunsch ist zwar heutzutage unverändert hoch, aber die für normale Bürger schwieriger gewordenen ökonomischen Verhältnisse bzw. Unsicherheiten in der Lebensplanung halten viele Menschen von der Familiengründung ab.

Umgekehrt ist die Geburtenrate in Frankreich deutlich höher, und die Gründe (zu den übrigens auch die französischen Mindestlöhne rechnen) sind wenig geeignet, um die asoziale neoliberale "Eigenverantwortungs"ideologie in ein blendendes Licht zu tauchen.

Also werden diese Fragestellungen in der herkömmlichen Wirtschaftswissenschafttheologie weitgehend ignoriert, z.B. vom Professor HW Un-Sinn oder vom Demokratiefeind Meinhard Miegel, welche sich ansonsten aber berufen fühlen, ihre familienpolitischeAnsichten "wissenschaftlich" zu formulieren.

Ein Beispiel für Miegels dreiste Ignoranz:
"Offensichtlich reichen finanzielle Anreize nicht aus. So wurde in Deutschland das Kindergeld seit 1974 real verzehnfacht, ohne dass dies irgendeine positive Auswirkung auf das Geburtenverhalten gehabt hätte. Umgekehrt gibt es in den Vereinigten Staaten oder Irland praktisch überhaupt keine finanziellen Anreize, und trotzdem ist in diesen Ländern die Geburtenrate wesentlich höher als in Deutschland. Das Geld ist es also nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. Entscheidend sind Sicht- und Verhaltensweisen. So denkt die Mehrheit der Franzosen: Ein Leben ohne Kinder ist kein Leben. In Deutschland hingegen denken die meisten, dass Menschen ohne Kinder es ganz einfach besser haben. Dass Kinder nicht nur eine materielle Belastung, sondern auch eine Lebensbereicherung sein können, wird von vielen nicht gesehen."
Die Lösung des INSM-"Botschafters" (d.h. Propaganda-Verantwortlichen) Miegel lautet: Mit dem Kapitalismus ist alles okay, aber "die meisten" müssten sich halt umstellen, und Kinder, bitteschön, als Bereicherung sehen. Punkt. Dieser Professor, welcher der Neuen Rechten nahe steht (siehe Criticón 168), propagiert Bewusstseinswandel an Stelle von Problemlösungen, und ignoriert als "Wissenschaftler" die Gründe der Kinderlosigkeit, und zwar vollständig.

Ähnlich auch Professor Unsinn:
"Auf der Welt insgesamt gibt es zu viele Menschen. Andererseits werden arbeitsfähige Menschen schon in 20 Jahren, wenn die ersten Baby-Boomer in Rente gehen, fehlen. Daraus könnte man schließen, dass man die Lücke durch Immigration schließen sollte. Aber das sind schon ganz erhebliche Immigrationsströme, die wir dann brauchen würden. Gesetzt den Fall, es würden nur junge Menschen immigrieren und wir wollen im Jahr 2035, beim Höhepunkt der demografischen Krise unseres Landes, die Relation von Alten und Jungen auf dem heutigen Niveau halten, müssten 43 Millionen Menschen einwandern. (...) Die Rechnung zeigt, dass die Immigration als Lösung des deutschen demografischen Problems weit überschätzt wird. So viel Immigration wie wir brauchen, kann sich selbst der Liberalste nicht vorstellen. (...) Nur wenn die Deutschen den steinigen Weg durch die ökonomische Wirklichkeit wählen, werden sie die neuen Auen finden."
Professor Unsinn predigt blumig und irrational wie ein Theologe.

Die Ausage: "
Nur wenn die Deutschen den steinigen Weg durch die ökonomische Wirklichkeit wählen, werden sie die neuen Auen finden." bedeutet im Kontext, dass das Problem niedriger Geburtenraten durch härteste neoliberale Reformen angeblich gelöst werden würde. Warum er dies meint, begründet er nicht.

P.S.
Mehr und bessere Gedanken macht sich z.B. Antje Schrupp. Bei Ulysses, Daniel und Stefan finden sich ebenfalls Anregungen.

+++ Update +++
Word2Go setzt sich mit dem Thema auseinander. Bemerkenswert fand ich z.B. seinen treffenden Hinweis, dass die "Freiheit liebenden" Neoliberalen ruckzuck auf Zwang setzen, wenn sie ihre gesellschaftlichen Vorstellungen durchsetzen wollen:
"Zusätzlich stellen uns die Neoliberalen vor ein weiteres Paradoxon. Man könnte es auch argumentative Inkoherenz, zumindest aber Inkonsequenz nennen. Sie, die sonst so dogmatisch für freie Märkte und freie Individuen werben, verfallen angesichts der Bäuche deutscher Frauen in einen regelrechten Steuerungswahn."

04 August 2006

Atomkraft ist beinahe sicher...

Wie der schwere, und auch für uns relevante, aktuelle Störfall zeigt, gibt es nicht nur Fragen hinsichtlich der Entsorgung des radioaktiven Brennmaterials - sondern mitten in Europa überaus üble, überraschende Probleme:
"Högelund hatte in der [extern] Nya Tidning aus Uppsala davon gesprochen, es hätten nur sieben Minuten daran gefehlt, dass die Bedienungsmannschaft die Kontrolle über den Reaktor verloren hätte. Eine Kernschmelze wäre die Folge gewesen."
Wir sind also in Europa knapp an eine Kernschmelze rangekommen, die nur vermieden wurde, weil zwei der vier Diesel-Reserveaggregate für die Notkühlung doch noch ansprangen, womit zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr zu rechnen war...
"In der Folge war die Betriebszentrale für rund 20 Minuten "blind". Die Mannschaft hatte keine Ahnung mehr, in welchem Zustand sich der Reaktordruckbehälter befand. Erst dann gelang es ihr, die Notstromversorgung vollständig in Gang zu bringen und den Reaktorkern noch rechtzeitig zu kühlen. Sieben Minuten später, meint Högelund, und der Prozess, der zur Kernschmelze geführt hätte, sei nicht mehr aufzuhalten gewesen."
Okay, ich muss zugeben, dass ich gegenüber dem Thema Atomenergie eine bislang diffuse, unentschiedene Haltung hatte, auch deshalb, weil es mir hier an Sachkenntnis fehlt. Ich habe nie verstanden, warum man diese Technologie auf Kosten des Steuerzahlers mit Geldern in Zigmilliardenhöhe fördert, aber ich hatte auch nicht verstanden, warum man die bereits gebauten Kraftwerke vor Ende ihrer Laufzeit abschalten sollte.

Jetzt verstehe ich die Sache mit der Abschaltung.

Warum sich allerdings Prof. Dr. Wald-Orf dieser Tage ein Kernkraftwerk vors Feld in seinen Garten wünscht, das verstehe ich allerdings nicht. Vermutlich sind alle Neoconnards komplett bescheuert.

Persönliches: Unsere Chefin ist süß

Unsere neue Chefin war heute so richtig süß: "Zum Einstand" hat sie unserem Team ein Pfund äußerst leckeren Kaffee spendiert - und weil sie sich bislang viel mit Kunst und Theater beschäftigt hat, ist sie ohnehin deutlich umgänglicher, als das bisherige Leitungspersonal. Unsere Palastrevolution hat gefruchtet, - der alte Chef hat "neue Aufgaben". *Hihihi* Und vorerst bin ich als oberster Revolutionsführer der Held der Truppe.

Bitte keine Hinweise darauf, dass Kaffee nicht süß, sondern salzig bitter schmeckt. Dieser Kaffee schmeckt sehr süß, okay?

03 August 2006

Leseempfehlung zum PR-Unwesen in der Demokratie

In einem hervorragenden Artikel thematisiert Nils Klawitter die aus der PR-Branche entstehenden Gefahren für Demokratie und Medien.

Bestimmen Geld- und Machtinteressen die öffentliche Darstellung von Sachverhalten, so, wie dies in einigen Themengebieten über einflussreiche PR-Netzwerke erfolgt, so wächst die Verantwortung der demokratischen Medien, hier gegenzusteuern. Es darf nicht ein, dass gekaufte Meinung und getürkte Studien (z.B. des IW) das Geschick unserer Gesellschaft bestimmen.

Die offene Gesellschaft stürzt unaufhaltsam zusammen, wenn es die vierte Gewalt zulässt, dass derartige Manipulationstaktiken die öffentliche Meinung dominieren.

Man hätte noch einen Schritt weiter gehen können als Nils Klawitter in seinem Artikel: Die Kunst der öffentlichen Verdrehung (=PR) ist auch eine Gefahr für das effiziente Funktionieren von Märkten. Denn auch hier gilt: Wenn die (oft nur sehr mühselig zu erringende) Wahrheit und der unparteiliche, objektive Standpunkt aus der Öffentlichkeit verdrängt werden, so wird das ganze System dysfunktional.

P.S.
Liebe mitlesende Rechtsliberale und Neoconnards! Der sehr gute Artikel von Nils Klawitter ist nichts für euch.

01 August 2006

Wahlbetrug in Mexiko - Obrador wehrt sich

Es gibt bei der Präsidentschaftswahl in Mexiko zahlreiche und eindeutige Anzeichen für Wahlbetrug und Unregelmäßigkeiten. Insofern ist es ein übles Vorzeichen, wenn der vermeintliche, rechtskonservative Wahlsieger Calderon erklärt, dass es bei der "korrekt abgelaufenen Wahl" seiner Meinung nach "keinerlei" Probleme gegeben hätte. Die unabhängigen Wahlbeobachter von Peacewatch haben hier eine andere Auffassung. Selbst die US-Regierung betrachtet die Anerkennung des Wahlsiegs Calderons inzwischen für übereilt. Auch Voltairenet formuliert erhebliche Zweifel am Verlauf der Auszählung.

"Keinerlei" Probleme sieht jedoch Seniór Ulgade, der Leiter der umstrittenen Bundeswahlbehörde IFE, welcher Calderon trotz vieler Unregelmäßigkeiten zum Sieger ausrief, zumal er ein enger Freund Calderons ist. Carlos Ulgalde war beispielsweise Trauzeuge auf der Hochzeit Calderons. Unparteilichkeit sieht anders aus. Der SPIEGEL berichtet:
Die Tageszeitung "El Universal" berichtete unterdessen, dass gestern auf einer Müllhalde zehn Wahlurnen und der Bericht eines Abstimmungslokals aus einem ärmeren Vorort der Hauptstadt gefunden worden seien. López Obrador wird vor allem von der armen Bevölkerung unterstützt. Daraufhin zogen Demonstranten vor die Behörde der Wahlleitung und forderten die Festnahme des Wahlleiters. "Ugalde: Du gehörst ins Gefängnis" stand auf einem der Protestplakate.
Am letzten Sonntag haben über 1 Mio Anhänger des gemäßigten Linkskandidaten Obrador in Mexikostadt gegen den Wahlbetrug protestiert, und Widerstand angekündigt, wenn es nicht zur Neuauszählung der Stimmen kommt. Wolf-Dieter Vogel schreibt in der TAZ dazu:
Dass ein Oppositionspolitiker in Mexiko mit dem Vorwurf des Wahlbetrugs offene Ohren findet, ist nahe liegend: Schließlich hielt sich die Staatspartei PRI über 70 Jahre lang durch derartige Betrugsmanöver an der Macht.
Indes ist z.Zt. reichlich unklar, ob eine Neuauszählung tatsächlich zur Mehrheit Obradors führen wird. Obwohl eine Neuauszählung zum nationalen Frieden in Mexiko beitragen würde, vermute ich eher, dass der Griff zur Macht über diesen Neuauszählungswunsch dominieren wird, zumal die für ca. Ende August erwartete gerichtliche Entscheidung gegen eine Neuauszählung gerichtet sein wird. Andererseits: Die klare Mehrheit der mexikanischen Wähler will ebenfalls eine neue Auszählung.

Für welches politisches Programm steht Obrador?

Wie viele andere Linkspolitiker Latein-Amerikas will Andrés Manuel López Obrador die Privatisierung nationaler Ressourcen rückgängig machen, z.B. im Ölsektor, und steht für ökonomische Umverteilung zu Lasten Privilegierter. Innerhalb der lateinamerikanischen Linksallianz ist Obrador mehr zum linksliberalen Flügel aus Michelle Bachelet in Chile, Alan García in Peru, Néstor Kirchner in Argentien und Luiz Inacio Lula da Silva in Brasilien zu rechnen, und weniger zum stärker linksgerichteten, USA-feindlichen Flügel aus Castro, Chavez und Morales.

Der PRD-Kandidat Obrador sieht sich zuerst den Armen in Mexiko verpflichtet, sodas es nicht verwundert, dass er im armen Süden Mexikos besondere Unterstützung erfährt. Obrador kritisiert, dass 10% der Mexikaner über 45% des nationalen Wohlstands verfügen, während 50 Millionen Mexikaner bitter arm sind. Genauso wie die zentristische Partei PRI ist er klar gegen das neoliberale Programm Calderons, das auf Privatisierungen, die Abschaffung von Arbeitnehmerschutzrechten, Steuersenkungen für Gutverdiener und weitere staatliche Regulationen setzt, um die Ökonomie zu "modernisieren".

In den letzten 6 Regierungsjahren der neoliberal-nationalkonservativen Partei Mexikos kam es zur weiteren Verarmung breiter Bevölkerungsschichten sowie zu zahlreichen Verstößen gegen die Menschenrechte, z.B. systematische Polizeigewalt gegen Demonstranten. Dass Neoconnards und radikale Bush-Fans vor diesem Hintergrund Calderon favorisieren, versteht sich von selbst.

Obrador will die mexikanische Ökonomie durch Investitionen in Bildung und Infrastruktur vorwärts bringen, und dies finanzieren, insofern ist er typisch linksliberal, indem er die Kosten für die wuchernde mexikanische Bürokratie scharf reduzieren will. Hier will er zudem scharf gegen Korruption vorgehen. Die Spitzengehälter im öffentlichen Dienst will er halbieren, inklusive seinem eigenen Präsidentengehalt. Außerdem hat er angekündigt, dass das NAFTA-Handelsabkommen bei Getreide, Mais und Bohnen spätestens ab 2008 ändern möchte. Obrador hält es für unfaire Konkurrenz, wenn die Farmer der USA mit sehr hohen staatlichen Zuschüssen Vorteile erlangen.

Neben Armenspeisungen und ein kostenloses Schulfrühstück plant Obrador weiterhin, die Grundrente auf 50 Euro zu erhöhen, ähnlich wie er es bereits für Mexiko City etabliert hat, und die Preise für Güter der Grundversorgung über niedrigere Mehrwertsteuersätze zu verbilligen. Die Energiekosten für arme Familien will er über Subventionen deutlich absenken. Diese geplanten Sozialprogramme sind der Auslöser dafür, dass die nationalkonservative Partei Calderons ihm vorwirft, ähnlich auch Neocon-Trottel in den USA, dass Obrador ein "autoritärer Sozialist wie Chavez" sei.

Da es für die Gesetzgebung im Dreiparteiensystem Mexikos notwendig ist, mit der dritten Partei, der (2000 aus der Regierung abgewählten) PRI zusammen zu arbeiten, die ihre Basis v.a. in armen Farmarbeitern hat, dürfte eine Regierung Obradors deutlich konfliktfreier vonstatten gehen als eine marktradikale Regierung Calderons, die in vielen Punkten von der PRI Opposition erfahren würde, besonders im Bereich der Wirtschaftspolitik.

Woher kommt der demokratische Linksschwenk in Lateinamerika?

Neben dem politstrategischen Geschick des radikalen Linkspopulisten Chavez dürfte die Etablierung des neuen TV-Netzwerkes "Telesur" (in ganz Lateinamerika) ein sehr gewichtiger Faktor sein, welches eine inzwischen mächtige Konkurrenz zu eher konservativ und neokonservativ geprägten Medien darstellt, - auch infolge seiner erfolgreichen Seifenopern.

Man könnte also mit eine gewissen Berechtigung sagen, dass der linksliberale Frühling in Lateinamerika auf Seifenopern und Telenovelas beruht, sowie dem Geschick der dort tätigen Drehbuchautoren und Schauspieler.